Noch mehr Hintergründe sind in Teil 2 und 3 zu erwarten.
Bio – logisch. Öko – logisch. Oder gar nicht logisch – sondern emotional?
Kann man den Verzehr von biologischen Lebens- und Genussmitteln mit der dem Wort innewohnenden Vernunft begründen? Was ist dran an den sinnhaften, lebendigen Begriffen biologisch und ökologisch? Eine wahre Flut von Bezeichnungen, Labeln und Siegeln weisen Verbraucher auf die umweltverträglichen, ressourcenschonenden, natürlichen und gesunden Produkte hin. Was steckt dahinter und mit welcher Motivation entschiedet sich der Konsument heutzutage für biozertifizierte Lebensmittel und Wein. Schmecken sie besser oder geben sie einem das Gefühl sich gesünder zu ernähren? Ist es der solidarische Gedanke etwas Gutes für unser aller Umwelt zu tun und so durch Konsumverhalten Ökologie mitzugestalten?
In diesem Beitrag finden Sie folgende Informationen zu dem lebendigen, den Zeitgeist treffenden Thema:
- • Rückblick und Gegenwart des biologischen Weinbaus
- • Zahlen, Daten, Fakten heute
- • Die verschiedenen Siegel und ihre Bedeutungen
Bioweine im Wandel der Jahrzehnte
Die demonstrierenden Ökos der 1980er Jahre in selbstgestrickten Pullovern und Socken waren mit ihren Parolen für einen Teil der Bevölkerung eher beängstigend als motivierend. Dunkle, muffige Bioläden mit welkem Gemüse in einfachen Holzregalen, der Geruch von Jutesäcken und in Getreidemühlen frisch gemahlenem Korn ließen sich nicht gut mit dem Genussmittel Wein in Einklang bringen. Die ersten Bioweine rangierten nicht unbedingt in der Liga der Qualitätsweine. VDP Weingüter, die nach Verbesserung strebten und aus dieser Motivation heraus zum biologischen oder sogar biodynamischen Anbau übergingen, schämten sich fast des BIO-Siegels und druckten es bis zur Unleserlichkeit verkleinert auf das Etikett. Dabei fing der heutige VDP (Verband Deutscher Prädikatsweingüter) als Verband Deutscher Naturweinversteigerer seine Geschichte an. Bio und Biodynamie sind keine neumodische Erfindung der 1980er Jahre!
Frühes Gedankengut der Nachhaltigkeit & Biodynamie in Deutschland
1910 – Gründungsjahr des VDNV (Verband deutscher Naturweinversteigerer)Der Vorgänger des heutigen VDP kann als eine Gegenbewegung zu den damals gängigen Methoden der Vinifikation betrachtet werden. Im Weingesetz von 1909 stand einer großzügigen Zugabe von Zucker in den Traubenmost nichts im Weg. Den Gründervätern des VDNV war die Reinheit und Qualität der Weine Anlass sich in einem Verband über die Grenze des jeweiligen Weinanbaugebietes hinaus zusammenzuschließen. Nicht zuletzt diesem Verband ist das hohe Ansehen und der Weltruf des deutschen Weines Anfang des 20. Jahrhunderts zu verdanken. Auszug aus der heute gültigen Qualitätsphilosophie des VDP: „Wir erzeugen unsere Weine im Einklang mit der Natur. Unsere Böden und ihre urwüchsige Fruchtbarkeit sind unser wichtigstes Kapital. Nur ein Rebstock, der im Einklang mit der Natur wächst, kann einen Wein hervorbringen, der seine einzigartige Herkunft schmecken lässt. Daher hat die Intakthaltung unserer Weinberge für uns allerhöchste Priorität.“
1924 – Präsentation der biologisch-dynamischen Landwirtschaft von Rudolf Steiner. Vorträge über ein alternatives Landwirtschaftskonzept zur Agrikulturchemie.
Seit Karl des Großen herrschte die Dreifelderwirtschaft (Sommerfrüchte, Wintergetreide, Brache). Die Entwicklung der Agrikultur aus dem 18. und 19. Jahrhundert hatten schon die Überwindung der Brache zur Folge und die Betrachtung der Landwirtschaft als gewinnbringendes Gewerbe. Die Forschungen und Schulungen in Sachen Landwirtschaft und Weinbau wurde nicht zuletzt auf Bestreben der Obrigkeit vorangetrieben. Ein gut genährtes Volk und - in Krisenzeiten oder Kriegsfalle autark aus den Erzeugnissen des eigenen Landes ernährte Bevölkerung - dient als starke Basis Machtinteressen durchzusetzen. Nach dem ersten Weltkrieg führten die Wirtschaftsinteressen, Entwicklungen und Auswertungen der verschiedensten Versuchsstationen zu unterschiedlichen Konzepten für eine ertrag- und erfolgreiche Landwirtschaft und Weinbau. Die biodynamische Pionierarbeit der 1920er erfuhr in den 1930er Jahren die Unterstützung der NSDAP.
Ein Jahrhundert später
Nach dem zweiten Weltkrieg, in der Zeit des Wiederaufbaus und der zunehmenden Industrialisierung auch in der Landwirtschaft setzten sich mehr und mehr große Höfe mit Monokulturen gegen kleinere Mischbetriebe durch. Dazu gehörte der wenig hinterfragte Einsatz von Dünge- wie Pflanzenschutzmitteln. Trotz aller Forschung sind Böden und Terroir wenig ganzheitlich betrachtet worden, sondern nur als Grundlage zur gesteigerten Nahrungsmittelproduktion.
Heute schauen wir in vielerlei Hinsicht auf unsere endlichen Ressourcen. Wie können wir nachhaltig wirtschaften? Ist biologischer oder biodynamischer Anbau ein Teil der Lösung?
Zahlen, Daten, Fakten
Der ökologische Weinbau hat in den Jahren 2005 bis 2019 um rund 13% pro Jahr zugenommen. Die weltweit biologisch bewirtschaftete Weinbaufläche beträgt rund 450.000 Hektar, das entspricht rund 6% der Gesamtfläche. Es dominieren europäische Länder wie Italien und Österreich mit 15%, Frankreich mit 14% und Deutschland, immerhin auf Platz 4 im Ranking, mit 8%. Auf Spanien, Frankreich und Italien entfallen zusammen 75% Prozent der weltweit biologisch bewirtschafteten Rebflächen.
(Aus der OIV Datenbank: Die „Organisation Internationale de la Vigne et du Vin“ Internationale Organisation für Rebe und Wein ist ein internationales und überstaatliches Gremium mit Sitz in Paris (Frankreich), das die Interessen des Weinbaus in den Bereichen Weinrebe, Wein, weinhaltige Getränke, Tafeltrauben, Rosinen und anderer Reberzeugnisse von derzeit 46 Mitgliedsstaaten vertritt.)
Schauen wir uns nur innerhalb Deutschlands um, werden gerade mal 5% des gesamten Weinanbaus biologisch bewirtschaftet.
Wie die Biowinzer finden: „Da ist noch Luft nach oben.“
Ganz offensichtlich, die Biosiegel
Wenn sich tatsächlich mehr Winzer für ökologischen Anbau weltweit entscheiden, und so die Weinberge an die nächsten Generationen als gesundes Kapital weitergeben möchten, so braucht es auf der anderen Seite aufgeklärte Konsumenten, die sich für die biologischen Produkte entscheiden. Auch da ist noch Luft nach oben, was die Aufklärung für die Verbraucher anbelangt. Hier unser Beitrag, damit Sie sich besser in dem Dschungel der „echten“ Bioprodukte und der „Trittbrettfahrer“, die sich mit artverwandten Bezeichnungen ein wertvolleres Image geben möchten, zurechtfinden.
Diese Siegel kennzeichnen für die Konsumenten sichtbar vorverpackte Bioprodukte von zertifizierten
EU-Bio-Logo
Einheitliches Logo für kontrollierte innnerhalb der EU erzeugten Bioprodukte. Mindestens 95% des Produktes müssen aus Bio-Zutaten bestehen, die Kontrollstelle und Angaben der landwirtschaftlichen Herkunft des Produktes sind verpflichtend im Zusammenhang mit dem Logo zu erwähnen.
Das staatliche Bio-Siegel
Zusätzlich zum verpflichtenden EU-Bio-Logo können deutsche Hersteller Bio-Waren seit 2001 mit dem staatliches Bio-Siegel kennzeichnen. Das sechseckige Zeichen mit dem Schriftzug "Bio" steht für die Kriterien der EG-Öko-Verordnung. Das Siegel definiert Mindestkriterien und ist im Wesentlichen vertrauenswürdig. Es sind auch Teilumstellungen in einem Betrieb möglich.
Die Siegel der Anbauverbände
Sind EU-Bio-Logo und das deutsche Bio-Siegel die „Pflicht“ einer Biozertifizierung, so kennzeichnen die Siegel der verschiedenen Anbauverbände die „Kür“ des biologischen oder biodynamischen Anbaus in der Landwirtschaft und im Weinbau. Grundsätzlich arbeiten Betriebe, die diesen Verbänden angehören komplett biologisch (nicht nur teilweise). Je nach Verband sind die Vorgaben unterschiedlich streng und gehen deutlich noch über den Verzicht von chemisch-synthetische Pflanzenschutz- und Düngemitteln hinaus.
Das war erst der Anfang!
Soweit der knappe Einblick in die Entstehung der heutigen Anbaumethoden und deren Kenntlichmachung für uns Konsumenten. Was jetzt genau den Unterschied zwischen biologischem und konventionellem Anbau im Weinberg und in der Verarbeitung im Keller ausmacht, erfahren Sie im zweiten Teil dieser Reihe. Im dritten Teil versuchen wir zu klären, ob Bioweine besser schmecken. Das ist natürlich ein strittiges Thema, da sich über Geschmack ja vortrefflich zanken lässt. Natürlich versuchen wir aber auch dem subjektiven Geschmack eine objektive Grundlage zu geben.