Das Handelssystem in Bordeaux ist einzigartig und geschichtsträchtig. Erwähnt wird die Vermählung von Eleonore von Aquitanien mit Henry Plantagenet im Jahre 1152 als Start der Französisch- Englischen Handelsbeziehungen. Der erste Bordelaiser „claret“ wurde mit der englischen Flotte auf die Britischen Inseln in 900l Fässern verschifft.
Ein Blick in die Geschichte des Weinhandels
Die Fassgröße ist das bis heute übliche Handelsmaß für „bulk“-Weine und durch vier geteilt der Ursprung für die heute gebräuchliche Barriquefassgröße von 225l. „Claret“ - dieser helle, leichte Rotwein fand großen Gefallen bei den Briten, der Hafen durch die Gironde war gut und geschützt zugänglich, und so entspannen sich regelmäßige Handelsbeziehungen und die ersten Handelshäuser etablierten sich.
Nach ca. 300 Jahren florierendem Handel fiel das Bordelais wieder unter die Herrschaft der französischen Armee und erst im 17 Jahrhundert mit der Ankunft der Niederländer begann eine weitere Handelsära mit Bordeaux Weinen.
Die Hanse, die Briten und die Niederländer verhalfen der Hafenstadt und Region zu Wohlstand und blühendem Handel, deren Zeuge bis heute existierende Handelshäuser sind. Die Architektur und der typische Aufbau der Häuser über zwei Straßenzüge mit Zugang zum Fluß (die Fässer wurden zum Anleger gerollt) prägen immer noch Teile des Stadtbildes von Bordeaux. Im Maison du Vin kann man den Aufbau eines Handelshauses mit seinen verschiedenen Ebenen besichtigen, und es wird schnell klar, welche wichtige Rolle die Händler schon damals bei der Vermarktung hatten. Sie brauchten viel Lagerkapazität um die von den Winzern gekauften Weine zu verschneiden und umzufüllen.
Mit den Niederländern hielt auch ein anderer Weintyp Einzug. Trockene und süße Weißweine zur Herstellung von Brandwein wurden gewünscht und Arnaud II de Pontac vinifizierte einen gehaltvolleren, dunkleren roten „Claret“ auf Haut Brion in Pessac, der in London salonfähig wurde.
Die Erfindung von Glasflaschen, die verkorkt wurden, ersetzte teilweise die Fässer beim Verschiffen. Aber auch die nächsten Jahrhunderte mit ihren Krisen waren prägend für den heute üblichen Handel. Resultieren doch die unterschiedlichen Aufgaben der „courtiers“, und „négociant“ aus der Vergangenheit in die Gegenwart. 1855 wurde auf der Weltausstellung in Paris die erste Klassifikation für Weingüter aus dem Médoc erstellt, auf der Grundlage der über längeren Zeitraum erzielten Marktpreise ihrer Weine. Sie ist bis heute gültig! Betrugsskandale führten dazu, dass 1936 das Institut national de l’origine et de la qualité, INAO, zur Qualitätssicherung gegründet wurde und zur gemeinsamen Zielsetzung der Qualitätssteigerung und –überwachung wurde 1948 das CIVB (Conseil Interprofessionel du Vin de Bordeaux) von Winzern, Weinmaklern und Weinhändlern zusammen ins Leben gerufen.
Daraus wird die Zusammenarbeit von Winzern und Händlern zum Teil ersichtlich. Tatsächlich werden 70% aller Weine im Bordeaux über das Handelssystem vermarktet. Spricht man die Winzer darauf an, können sie sich gar nicht vorstellen sich auch noch selber um die Vermarktung zu kümmern. Sie sorgen für die Qualität der Weine und es ist oft eine über Jahrzehnte andauernde vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Händler. Eine „win-win“ Situation für beide.
Was unterscheidet den „courtier“ vom „négocian“?
Der courtier ist der Vermittler zwischen Winzer und négocian. Er ist die Schaltstelle zwischen Angebot und Nachfrage. Insgesamt gibt es im Bordeaux 822 Weingüter und 33 Kooperativen, von denen sich nur 30% selber vermarkten. 84 courtiers versuchen geeignete Geschäftspartner zueinander zu bringen. Der courtier ist beratend tätig und zertifiziert die Vertragsbedingungen und Abwicklung. Bis zum Schluss ist er in der Verantwortung, dass die Qualität die probiert und gehandelt wurde auch ausgeliefert wird! Für seine Arbeit erhält er vom Käufer 2% des von allen Seiten vereinbarten Preises. Manche courtiers werden aufgrund ihrer Fachkompetenz auch für Auktionen oder zum Erstellen von Expertisen herangezogen.
Der négocian, der Händler, vermittelt dann die Weine vom Weingut zum Kunden. 70% der im Bordeaux produzierten Weine finden über 300 Händler ihren Weg in den Markt. 80% davon gehen in den Export in 170 verschiedene Länder. Ob in Frankreich oder im Ausland sind sie dann im Supermarkt, Weinläden oder der Gastronomie wiederzufinden. Der Händler übernimmt verschiedene Aufgaben. Er verkauft fertige, gelabelte Flaschenweine eines Weingutes genauso wie „bulk“-Weine“, eine Art Grundweine in 900l Fässern um sie selber zu lagern, zu verschneiden in Flaschen abzufüllen und dann mit seinem eigenen Label zu etikettieren. Dadurch hat er Einfluss auf die zum Verkauf stehende Menge eines Jahrgangs und die zu erzielenden Preise. Es ist mit in seiner Verantwortung welche Reifezeiten eingehalten werden und welche Verfügbarkeit die Weine auf dem Markt haben. Eine Variante der Vermarktung von „bulk“-Weinen ist das „rondu mise“. Der Händler kauft den Wein, transportiert seine Fässer wieder zum Chateau und lässt sie dort abfüllen sowie etikettieren. Dann darf auf dem Etikett auch „mise en bouteille au chateau“ stehen. Das wird bei ungefähr 8% der auf dem Markt gehandelten Weine so praktiziert.
Der négocian ist die Schnittstelle zum Kundenwunsch. Er bestimmt in gewisser Weise auch Trends mit. Bei jahrelanger Geschäftsbeziehung zwischen Weingut und Händler ist der Austausch über die Art der Produktion der Weine wichtig vom Weinberg bis zum Kunden. So hat sich in den letzten Jahren die Stilistik der roten Bordeauxweine deutlich verändert. In der Regel sind sie früher zugänglich und etwas fruchtbetonter. Solche Entscheidungen tragen dann Winzer und Händler, und in letzter Konsequenz der Händler, der die Weine über Jahre am Markt positionieren muss.