Weingut Anette Closheim

Mit dem Satz „Mein Herz schlägt für den Wein.“ und einem aufgeschlossenen Lächeln der Winzerin wird man auf der Internetseite von Anette Closheim freundlich begrüßt. Anette hat vor gut 10 Jahren ihre eigene Weinlinie innerhalb des bereits seit 150 Jahren bestehenden Familienweingutes in Langenlonsheim an der Nahe gegründet. Zusammen mit ihrem Mann realisiert sie ihren Anspruch von Qualität. Mit Fertigstellung der neuen Vinothek im Jahr 2019 haben die Weine ein adäquates Zuhause bekommen, das Modernität und Tradition auf einzigartige Weise architektonisch zum Ausdruck bringt.



Sie waren nach Ihrem Weinbetriebswirtschaftsstudium schon als Produktmanagerin in einem Spirituosenkonzern beschäftigt und international unterwegs. Was hat Sie veranlasst zurück auf das elterliche Weingut zu kommen? Warum sind Sie Winzerin geworden?

Anette Closheim: " Der Funke ist mit der Distanz übergesprungen. Ich bin ja hier auf dem Weingut aufgewachsen und als Kind hat man das Winzerleben aufgrund der vielen Arbeit nicht immer so toll gefunden. Mit dem beruflichen Abstand habe ich auf das Leben und Arbeiten auf dem Weingut aus einem anderen Blickwinkel schauen können. Dann war es ein großer Anreiz die eigenen Ideen umsetzen zu können. Die Wertschätzung im eigenen Familienunternehmen zu erfahren lässt sich nicht vergleichen mit der Rolle innerhalb der Strukturen eines großen Konzerns. Als mein Vater mir einen Teil der Weinberge und die Möglichkeit angeboten hat auf dem Weingut mein eigenes aufzubauen, da habe ich die Gelegenheit ergriffen und bin zurückgekommen ins Weingut. "

Was bereitet Ihnen die meiste Freude bei der Arbeit mit Wein?

Anette Closheim: " Wein ist ein Produkt zum Anfassen. Wein ist emotional. Er lässt sich mit allen Sinnen genießen. Wein ist Kultur, Wein ist gesellig, Wein bringt Menschen zusammen. Auch fasziniert mich die enge Verwobenheit mit der Natur. Das Arbeiten im Weinberg vom Rebschnitt, Austrieb, Ernte im Einklang mit der Natur über das Weinwerden im Keller bis zum Abfüllen und Verkaufen. Das alles macht Wein so lebendig und besonders. "

Wie groß ist Ihr Betrieb

Anette Closheim: " Wir bewirtschaften 15 Hektar. "

Auf Ihrer Homepage ist zu sehen, wie Sie mit der Schere in der Hand die Trauben halbieren. Werden die Weinberge von Hand oder maschinell bearbeitet?

Anette Closheim: " Die Bodenbearbeitung machen wir maschinell, dass ist aufgrund der meistens nur hügeligen Topografie an der Nahe möglich. Bei der Traubenernte arbeiten wir „sowohl als auch“, d.h. wir ernten von Hand aber wir nutzen auch den Einsatz von Erntemaschinen. Die Bearbeitung der Laubwand (Einheften der Triebe in den Drahtrahmen) und qualitätsfördernde Maßnahmen u.a. die Traubenteilung, sind reine Handarbeiten. Vor dem Weichwerden der Beeren schneiden wir mit der Schere die Hälfte der Trauben auf den Boden. Aufgrund der damit verbundenen Ertragsreduktion wird die verbleibende Traube gehaltvoller und wird zeitgleich auch besser durchlüftet. Besonders die Burgundertrauben wachsen sehr eng gepackt, Beere an Beere. Nach dem Halbieren streckt sich die Traube mehr in die Länge, und die Luft kann besser um die einzelnen Beeren zirkulieren. Das macht sie weniger anfällig für Fäulnis. Viel Aufwand den wir im Premiumbereich machen, der aber sehr lohnenswert ist. "

Schließt sich die Frage an mit wie vielen Mitarbeitern Sie das Arbeitspensum auf dem Weingut bewältigen.

Anette Closheim: " Wir sind ein klassischer Familienbetrieb: Das bedeutet meine Eltern, mein Mann Phillip, und ich. Zusammen mit einem Festangestellten und den Saisonarbeitern bewerkstelligen wir alles. "

Ihr Vater führt ja auch noch seine eigene Weinlinie. Hilft er dann auch bei Ihnen mit?

Anette Closheim: " Wir bewirtschaften das Gut zusammen und benutzen die Produktionsstätte gemeinsam. Bei der Definition der Wein- und Qualitätsphilosophie trennen sich dann eher die Wege. Philipp und ich sind da einfach innovativer und experimenteller unterwegs. "

Das Thema nachhaltiger Weinbau ist in vieler Munde. Wie stehen Sie dazu?

Anette Closheim: " Natürlich beschäftigen wir uns mit dem Thema. Wir arbeiten naturnah und verfolgen neugierig die Innovationen, die es im Weinbau gibt. Es gibt bereits gute Ergebnisse mit Piwis (pilzresistent gezüchtete Rebsorten). Diese Sorten sind umweltschonend da sie deutlich weniger gespritzt werden müssen. Das ist für uns beispielsweise schon eine Überlegung bei Neuanpflanzungen das auszuprobieren. "

Lesezeitpunkt: Was gibt den Ausschlag für die Reife? Wie sollten die Trauben im besten Fall sein. 

Anette Closheim: " Das wichtigste ist das Probieren der Beeren, also die sensorische Kontrolle. Dann schauen wir auch mit dem Refraktometer nach dem Zuckergehalt, da wir den daraus entstehenden Alkohol im Blick behalten wollen. Der Zuckergehalt darf nicht zu hoch sein, was in Anbetracht der sehr warmen Spätsommer eine Herausforderung ist. Das stellt durchaus gelebte Muster auf den Kopf, denn wir lesen heute teilweise die Premiumweine früher, zum Teil vor den Gutsweinen und z.B. den Spätburgunder vor dem Weißburgunder. "

Ist das u.a. ein Einfluss des Klimawandels? Verändert sich der Lesezeitpunkt durch den Klimawandel?

Anette Closheim: " Die Tendenz ist da. Die Trauben werden früher reif und der Lesezeitraum ist kürzer und dichter. Ein paar wenige Tage können viel an der Reife ausmachen. Ich muss klar entscheiden was für einen Wein ich ernten will – welche Art Wein daraus werden soll. "

An der Nahe wird viel Burgunder und Riesling angebaut. Inwieweit ist Ihre Rebsorten Auswahl typisch für die Region?

Anette Closheim: " Mit unserem Fokus auf Sauvignon Blanc besetzen wir eine Nische hier in unserer Region. Da tendiere ich in der Ausrichtung und Stilistik in Richtung „cool climate“ Sauvignon Blanc von der Loire. Bei den roten Rebsorten pflanzen wir spezielle Sorten wie Cabernet Franc und Merlot an. Phillip hat im Bordeaux gearbeitet und Erfahrung damit gesammelt. Aber natürlich haben auch wir die Klassiker Riesling und Burgunder. "

Dann läge ja nahe, dass auch noch Cabernet Sauvignon mit in das Repertoire aufgenommen wird…

Anette Closheim: " Nein. Da bevorzugen wir ganz klar den Cabernet Franc.! Er ist mit St. Laurent, und Cabernet Dorsa (übrigens die deutsche Antwort auf Cabernet Sauvignon) zentrale Sorte in unseren Premium Rotweincuvée „Meilenstein“ "

Weinbereitung

Wie vergären die Weine in Ihrem Keller: spontan oder mit Reinzuchthefen?

Anette Closheim: " Beides. Wir haben zwei Qualitätsstufen, die Gutsweine und die Lagenweine, bzw. Premiumweine. Die Gutsweine und die Rotweine werden alle mit Reinzuchthefen vergoren und die Lagenweine gären spontan an. Da impfen wir je nach Verlauf mit Reinzuchthefen nach, damit die Weine auch am Ende trocken sind. Ich habe ja ausschließlich trockene Weine in meinem Angebot! "

Schwefel wird im Weinanbau als Pflanzenschutz und im Keller bei der Verarbeitung an mehreren Stellen eingesetzt. Wie findet er bei Ihnen Verwendung?

Anette Closheim: " Wir arbeiten da ganz klassisch und verwenden ihn als Oxidationsschutz. Natürlich schauen wir, dass wir nicht mehr als unbedingt nötig ist zugeben. "

Wie handhaben Sie es mit der Filtration? Werden Ihre Weine filtriert?

Anette Closheim: " Bis jetzt schon. Natürlich ist das ein Thema, das gerade bei den Rotweinen in Verkostungen immer wieder diskutiert wird. Aber bis jetzt sind wir auch da noch ganz klassisch unterwegs. "

Die Person

„Anette Closheim. Eine Frau, ein Wein, eine Leidenschaft.“

Anette Closheim: " 300 Jahre altes Fachwerk, samtgrauer Beton und schwarzer Stahl verkörpern meinen Anspruch: Weine auszubauen, die innovativ schmecken und Tradition atmen. "

Zwei wichtige Aussagen auf Ihrer Homepage, die Emotion, Anspruch und sinnliche Wahrnehmung wiedergeben. Stellt sich noch die Frage: Was ist Ihre Philosophie?

Anette Closheim: " Qualitätsanspruch gepaart mit Spaß und Lockerheit. Unkompliziertheit anstelle von Analytik. Wir möchten den Leuten unsere Weine auf verständliche Art und Weise nahebringen. Ganz wichtig ist die Lockerheit dabei! Ich bin neugierig wie die Weine ankommen, ob sie Spaß machen und schmecken. Gerne gebe ich hier auch Tipps zu welcher Gelegenheit welcher Wein gut passt und das gleiche natürlich in Puncto Essenbegleitung. Wenn jemand Genaueres wissen möchte, können wir Details erklären, z.B. wo der Wein wächst, das Terroir. "

Da unterscheiden Sie sich von manchen Ihrer Kollegen, die den Ausdruck des Terroirs und die Herkunft des Weines in erster Linie widerspiegeln möchten.

Anette Closheim: " Wir haben in unserer Vinothek Gesteinsproben unserer Weinberge sichtbar angebracht. Damit zeigen wir worauf unser Wein wächst und können den geschmacklichen Unterschied insbesondere bei den Rieslingweinen vom Löhrer Berg und dem Mont Solis wunderbar anschaulich machen. Das kommt einfach super gut an! "

Wo liegen die Stärken des Weingutes? Was macht den ganz persönlichen Fußabdruck aus?

Anette Closheim: " Die Stärken des Weingutes sind die Menschen dahinter. Wir sind nah am Kunden und das ist uns ein persönliches Anliegen. Mit unserer neuen Vinothek haben wir hier eine außergewöhnliche Begegnungsstätte geschaffen. Die zweite wichtige Säule sind natürlich die Weine. Wir produzieren authentische Premiumweine die Herkunft und Natur wiederspiegeln. Jeden Arbeitsschritt begleiten wir mit größtmöglicher Sorgfalt und dem Ziel ein optimales Ergebnis im Einklang mit der Natur zu schaffen. Eine besondere Herzensangelegenheit sind für uns die Sauvignons Blanc und auch die Rotweine. Hier wollen wir weiter Akzente setzen "

Was war das persönliche TOPP und welches der FLOPP bis jetzt in der Karriere als Winzerin?

Anette Closheim: " Also so richtig Topp war: Ich habe mit meiner Weinlinie ja ganz entspannt mit zwei Weißweinen und zwei Rotweinen gestartet. Ich habe einfach mal meinen Riesling zur Meininger Verkostung geschickt, und das war dann ganz unglaublich - wie ein 6er im Lotto - als erste Winzerin die Weinwelt-Auszeichnung „Riesling-Entdeckung des Jahres“ bekommen!!! Das war im Jahr 2009 und hat dann alles so richtig angestoßen.
Ein rechter „Flopp“ fällt mir nicht ein. Wein ist ein Naturprodukt und da spielt witterungsbedingt nicht jedes Jahr so mit. Da muss man dann mit umgehen und das Beste daraus machen. "

Wenn jemand Sie noch nicht kennt, welchen Einsteigerwein würden Sie ihm empfehlen?

Anette Closheim: " Für alle Sauvignon Blanc Fans empfehle ich gerne unseren Savvy Sauvignon Blanc! Er besticht mit seiner grasigen Frische und knisternden Fruchtigkeit – Trinkfreude pur! Alternativ empfehle ich auch gerne unsere „Mit Freunden“ Weine als Weißburgunder oder auch Riesling. Der Name ist Programm – einfach in die geselliger Runde auf den Tisch und schon springt der Funke über! "

Was ist Ihr Lieblingswein vom eigenen Weingut, und gibt es Weine von anderen Weingütern, die Sie sehr schätzen?

Anette Closheim: " Das schwankt und hängt von der Gelegenheit, dem Essen oder auch der Jahreszeit ab. In der Regel mag ich lieber Weißwein, aber je nach dem was es zum Essen gibt oder ob es Winter oder Sommer ist, trinke ich auch gerne rosé oder rot.
Wir probieren neugierig viele andere Weine. Immer wieder zu gucken, was es alles gibt und sich in anderes reinzuschmecken, ist eine wichtige Orientierung wo man selbst steht. Ich bin sehr kritisch mit mir und hinterfrage immer wieder skeptisch meine eigenen Weine. Sie sollen 100%ig sein! "

Haben Sie Wünsche/Visionen für die Zukunft?

Anette Closheim: " Dinge weiter zu optimieren anstelle weiter zu wachsen. Damit will ich sagen, dass wir ständig weiter an der Qualität der Weine arbeiten und optimierende Veränderungen auf dem Weingut vorantreiben. Hier wollen wir einfach fit für die Herausforderungen der Zukunft sein. "



Vielen Dank!

Anke Kürschner

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