Wir machen Mittelrhein-Wein erlebbar!
Dieser Satz leitet so treffsicher und wahr auf die einladende Seite des Familienweingutes Albert Lambrich. Mit diesem Beitrag möchten wir nicht nur das sehr engagierte und ambitionierte Weingut vorstellen, sondern auch das kleine, feine Anbaugebiet Mittelrhein in den Fokus rücken. Der Rhein mit seinen Schlössern, Burgen und dem berühmten schroff aufragenden, viel besungenen Loreleyfelsen lockt Scharen von Touristen an. Unwissend, wie Studien belegen, dass sie sich in einem Weinanbaugebiet mit ganz besonderen Schiefersteillagen befinden! Diese vom Rhein und Wein geprägte Kulturlandschaft wurde im Jahr 2002 als erste deutsche Kulturlandschaft in die Welterbe-Liste der UNESCO aufgenommen. Trotz dieser Anerkennung und Popularität der wunderschönen Landschaft, mangelt es an Wertschätzung für die Winzer, die einen großen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft leisten. Das Weingut Albert Lambrich kümmert sich mit viel Wissen, Erfahrung und Heimatverbundenheit um eine nachhaltige Bewirtschaftung in den Schiefer-Steillagen Oberwesels. Mit einem Besuch auf dem Weingut wird die Besonderheit des Oberen Rheintales vom Weinberg aus wirklich erlebbar.
Die Erfahrung und Liebe für den Weinanbau wird nun schon in der vierten Generation in der Familie weitergeben. Der Urgroßvater betrieb einen Hof mit der damals klassischen Mischwirtschaft von Wein- und Ackerbau mit etwas Viehzucht. Er lieferte seine Trauben nicht an die ortsansässige Genossenschaft, sondern kelterte sie selbst. Im eigenen Keller hat er Wein gemacht, in Flaschen gefüllt und damit den Grundstein für das heutige Weingut gelegt. Viehzucht wurde bis in die 1980er Jahre betrieben und Anfang der Jahrtausendwende wurde auch der Ackerbau zugunsten des Weinbaus aufgegeben. Aus zwei Hektar wurden bis jetzt knapp 6 Hektar, die von den Eltern Ute und Albert zusammen mit den Kindern Julia und Max bewirtschaftet werden. Eine „Wein-kompetente“ Familie: Ute und Albert sind beides Weinbautechniker, Julia studierte Internationale Weinwirtschaft und Max absolvierte nach abgeschlossener Winzerlehre auch noch ein Önologie Studium in Geisenheim. Neben den vielen Aufgaben in Weinberg und Keller betreiben die vier auch noch eine einladende Gaststube auf dem Hof am Dorfrand.
Das Interview habe ich mit Julia, der diesjährigen Mittelrhein-Weinkönigin und Max Lambrich durchgeführt.
Erst einmal herzlichen Glückwunsch Julia, der neuen Mittelrhein-Weinkönigin!
Und damit direkt die geschickte Überleitung zur ersten Frage:
Was war die Motivation Winzer zu werden, bzw. Internationale Weinwirtschaft zu studieren und sich wie die Eltern auch mit Wein zu beschäftigen?
M.L.: Wenn man auf einem Weingut aufwächst, hat man unmittelbaren Bezug zum Leben und Arbeiten auf dem Weingut. Als Kinder haben wir im Weinberg mitgeholfen und das Draußensein in der Natur schätzen gelernt. Nach dem Abitur und Praktika in Richtung Maschinenbau fiel die Entscheidung dann doch zugunsten des Winzerberufes aus. Während der Ausbildungszeit hatte ich Zugang zur Kellerwirtschaft und natürlich auch Einblicke in andere Betriebe (an der Nahe und in Südtirol). Dabei konnte sich eine richtige Leidenschaft und ein Wissensdurst für den Wein entwickeln, sodass ich nach Abschluss meiner Lehre zusätzlich Önologie studiert habe. Außerdem habe ich bei meinen Praktika in Betrieben mit flachen Weinbergen gemerkt, dass mir die Steillagen fehlen : ). Der Weinbau in seiner ganzen Vielfalt ist nicht nur Berufung, sondern auch mein Hobby. Der Riesling hier in den Schiefersteillagen fordert mein Wissen, spornt den Ehrgeiz an und belohnt den Einsatz mit repräsentativer Qualität. Das macht mir Spaß.
J.L.: Nach dem Abitur wollte ich erst einmal gar nichts mit Wein zu tun haben. Ich wollte nicht den Beruf der Winzerin erlernen und mir war damals nicht klar, dass es auch andere Möglichkeiten und Werdegänge gibt, um in der Weinbranche zu arbeiten. So habe ich einen Studiengang fernab des Weingutes und Weines gestartet, um dann aber zu merken, dass mir etwas fehlt. Von einer Freundin gab´s dann den Tipp Internationale Weinwirtschaft zu studieren. Mit den vielfältigen Möglichkeiten sowohl im In- und Ausland, die mir dieses Studium beschert, kann ich mich richtig verwirklichen. Von der Kellerwirtschaft bis zum Verkauf einer Flasche Wein kann ich damit in so vielen Bereichen arbeiten. Mit meiner Vorliebe für Marketing und Vertrieb ergänzen wir uns hier richtig gut!
Gestaltest Du auch Eure Webseite?
J.L.: Tatsächlich pflege und aktualisiere ich sie. Auch die Gestaltung der Flyer und alles, was mit dem Verkauf zu tun hat, liegt in meiner Hand. Übrigens sind die Gene für Wein sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits in uns beiden angelegt worden. Auch der Großvater meiner Mutter hat schon Weinbau und eine Straußenwirtschaft in Niederheimbach betrieben.
Was bereitet Euch die meiste Freude bei der Arbeit mit Wein?
J.L.: In der Hauptsache die verschiedenen Möglichkeiten des Marketings, wozu Weinproben und Weinbergs-Wanderungen genauso zählen, wie das Online-Marketing. Das sind meine Lieblingsbereiche. Ich schätze aber auch den Wechsel vom Schreibtisch zur Arbeit im Weinberg sehr. Die abwechslungsreichen Möglichkeiten überall mitzuwirken, vom Lager bis zum Onlineshop, und in der Gaststube mitzuarbeiten mag ich richtig gern.
M.L.: Als Winzer arbeitet man von zuhause trotz der zahlreichen Aufgaben mit einer gewissen Flexibilität. Natürlich gehört zu dem Beruf auch das Arbeiten an Wochenenden. Aber wir können uns manches doch gut gestalten. Es macht mir richtig Spaß bei Weinfesten den Stand zu betreuen. So nehme ich viel mehr Anteil, bzw. bin ein Teil des Festes und habe mit vielen Menschen Kontakt. Die Geselligkeit, die zum Wein gehört, schätze ich neben der Arbeit draußen und im Keller auch sehr.
Wie groß ist Euer Betrieb?
M.L.: Wir haben dieses Frühjahr noch etwas angelegt, so sind wir mittlerweile bei knapp 6 Hektar. Für den Mittelrhein ist das eine durchschnittliche Betriebsgröße (zw.3-10 Hektar)
Das klingt nach familiengeführten Betrieben. Ist da ähnlich wie bei Euch ein neuer Geist zu spüren – eine nächste Generation, die wie Ihr qualitätsorientiert arbeitet?
M.L.: Ja, definitiv. Hier in Oberwesel haben wir mit einigen anderen Jungwinzern einen eingetragenen Verein (Jungwinzer Oberwesel e.V.) gegründet. Wir sind Nachwuchswinzer im Alter von rund 25 bis 35 Jahren. Das war nicht immer so, dass in einem Ort eine so zahlreiche Winzergeneration heranwächst. Zusammen kann man viel mehr auf die Beine stellen, sei es bei Weinmessen oder Winzerfesten. Jeder geht seinen eigenen Weg aber die Gemeinsamkeit stärkt und wir haben Spaß am Austausch und entwickeln neue Ideen.
J.L.: Ich habe das Gefühl, dass im ganzen Tal eine neue Energie wächst. Als kleines Anbaugebiet möchten wir auf die Wertigkeit unserer Weine aufmerksam machen. Wir können nicht die Mengen, wie z. B. Rheinhessen produzieren. Möchten wir auch nicht, denn unser Fokus in den Schiefersteillagen liegt auf hochqualitativen Handwerksweinen, die für unser Anbaugebiet sprechen. Ein so kleines Anbaugebiet, birgt eben auch Chancen: Die Winzerbetriebe hier kennen sich gut und durch die Nähe entsteht eine fast „familiäre“ Stimmung. Wir arbeiten alle enger zusammen und das ist natürlich auch sehr motivierend.
Werden die Weinberge von Hand oder maschinell bearbeitet?
M.L.: Hier muss man sagen: „Zum Glück teils, teils.“ Die Standardarbeiten wie Mulchen, Entblätterung, Laubschnitt und Pflanzenschutz können wir mit einer Raupe maschinell machen. Dank dieser modernen Technik heute, ist Weinbau in den Steillagen überhaupt so möglich. Rebschnitt, Laubarbeiten und vor allem die Ernte sind und bleiben Handarbeiten und das ist aus Qualitätsgründen auch gut so! Auch wenn es für Steillagen mittlerweile maschinelle Vollernter gibt, so zeigt ein Herbst wie 2023, wie wichtig es ist, von Hand selektiv zu lesen und jede einzelne Traube zu begutachten.
J.L.: Unser Großvater hat schon früher, als es noch gar keine Maschinen für den Weinbau gab, die Weinberge so bepflanzt, dass sie gut zu bewirtschaften waren. Das heißt die Rebzeilen und -stöcke sind nicht zu dicht aneinandergesetzt. Davon profitieren wir mit unseren heutigen Bearbeitungsmöglichkeiten.
Ihr arbeitet als Familie zu viert auf dem Weingut. Wie ist Eure Arbeitsaufteilung und gibt es noch weitere helfende Hände?
M.L.: Unser Vater Albert arbeitet vornehmlich im Weinbau und Keller. Ute, unsere Mutter, ist sozusagen die Frau für alles. Von der Weinstube über Büro, Lager oder Weinberg, kümmert sie sich um den Hof und ist einfach ansprechbar für alle Belange! Sie ist eigentlich die Wichtigste hier : ). In der Weinstube arbeiten wir alle zusammen.
Julia, Du bist für Marketing und Vertrieb zuständig und Max, Du arbeitest sowohl im Weinberg als auch im Keller, richtig?
J.L.: Genau. So zusammen sind wir das feste Vierer-Team. Natürlich haben wir zur Ernte auch noch weitere erfahrene Helfer, so dass wir dort einfach schlagkräftiger sind.
Das Thema nachhaltiger Weinbau ist in vieler Munde. Wie steht Ihr dazu?
J.L.: Wir Winzer würden den Beruf nicht ausüben, wenn wir die Natur nicht so lieben würden. Weiterhin ist es uns ein Anliegen, dass möglichst viele Generationen nach uns hier am Weinbau Spaß haben und ihn betreiben können. Unser Betrieb ist bis jetzt weder biologisch noch biodynamisch zertifiziert. Sehr wohl ist es in unserem Interesse und beständigen Fokus im Weinbau und Weingut nachhaltig zu wirtschaften. Wir informieren uns viel und entscheiden welche Möglichkeiten in unseren Steillagen sinnvoll in der Umsetzung sind. So ließ sich unsere Photovoltaikanlage im Weingut prima realisieren, aber im Steilhang ist nicht alles anwendbar.
M.L.: Als Grundlage, um mit und nicht gegen die Natur zu arbeiten, dient eine gute Ausbildung, bei der man lernt wie Lebenskreisläufe in der Natur, in Boden, Pflanze und Klima funktionieren. Die verschiedenen Begrünungen innerhalb eines Jahreszyklus sind nicht alle in den Steillagen praktikabel. Zwar wachsen sie wunderbar, sind aber im Frühjahr fast lebensgefährlich, da sie den Steilhang rutschig werden lassen und der Weinberg dann nicht mehr zu bearbeiten ist. Wichtig, und auch bei uns möglich, sind Pflanzen, die den Humusaufbau fördern und damit auch gegen Erosion und für eine gute Wasserversorgung sorgen. Tendenziell wird sich das Klima dahin verändern, dass wir mehr Niederschlag im Winter haben werden. Humus dient als Wasserspeicher, der die Pflanze dann im Sommer versorgen kann. Früher war es hier in der Region normal keinerlei Begrünung im Weinberg zu haben und nach Starkregen kam es zu Erdrutschen. Das kommt heute zum Glück dank der Begrünung nicht mehr vor. Mikroorganismen, wie z. B. den Pilz, zu verstehen, hilft dabei mit dem Pflanzenschutz sorgsam umzugehen. Wenn man seine Weinberge kennt, weiß man auch wo tendenziell mit Befall zu rechnen ist. Langjährige, generationsübergreifende Erfahrung im Familienbetrieb kommt auch noch unterstützend dazu, sowohl im Weinberg als auch im Keller. Das Wissen der Älteren kommt mir zugute, wenn ich bei „Unregelmäßigkeiten“ nervös werde. Nachhaltigkeit hat viele Aspekte. Wichtig ist drüber nachzudenken, sich weiterzubilden und so gut es geht Passendes umzusetzen. Heute muss z.B. keiner in der prallen Mittagshitze im Weinberg arbeiten. Das lässt sich anders einteilen. Mit den Menschen gut umzugehen, deren Ressourcen zu schonen, fällt eben auch unter soziale Nachhaltigkeit.
Lesezeitpunkt: Was gibt den Ausschlag für die Reife? Wie sollten die Trauben im besten Fall sein.
M.L.: Man muss die Trauben probieren! Wie ist das Aroma? Wie ist die Süße im Verhältnis zur Säure? Das muss man schmecken und nicht nur auf das Refraktometer schauen. Wir probieren so über zwei bis drei Wochen immer wieder, bis wir merken JETZT ist der richtige Zeitpunkt. Dabei gilt es auch darauf zu achten, dass die Mostgewichte nicht zu hoch geraten. Wir möchten auch leichte Rieslinge mit 11% Vol. Alkohol vinifizieren. Laborwerte sind da nur eine Stütze.
Hat der Klimawandel Einfluss auf die Art des Anbaus und den Lesezeitpunkt?
M.L.: Bei meinem Praktikum in Südtirol konnte ich diesbezüglich schon einiges beobachten: Dort herrscht jetzt ein Klima, das wir zukünftig vielleicht haben werden. Dort werden Rebsorten, die eher ein kühles Klima brauchen, im Zuge der Erwärmung auf bis zu 1.000 Höhenmeter angepflanzt. So hoch hinaus können wir hier am Mittelrhein nicht, aber wir haben ähnliche Möglichkeiten in den kühleren Seitentälern. Da können die Rieslinge stehen, die Frische ins Glas bringen.
Früher wurde gelesen, wenn der Abend schon früh dunkelte, sprich deutlich später im Jahr. Als kleiner Junge habe ich zur Lese Mütze und dicke Jacke getragen und kalte Finger bekommen. Wir haben so um den 10. Oktober herum begonnen und waren Ende Oktober, Anfang November erst fertig mit der Lese. Heute stehen wir in kurzer Hose mit T-Shirt bei 30°C ab Mitte September im Weinberg. Im Jahr 2018 war ich mit der Ausbildung fertig und bin hier im Weingut mit eingestiegen. Seitdem habe ich die Veränderung des Klimas über mehrere Jahre in Folge sehr bewusst wahrgenommen.
J.L.: Wobei wir tatsächlich noch zu den kühleren Anbaugebieten Deutschlands zählen. Wenn wir starten, sind die Kollegen in Rheinhessen oder der Pfalz teilweise schon drei Wochen in der Lese.
Weine:
Inwieweit ist die Rebsorten-Auswahl typisch für die Region? Gibt es in Bezug auf den Klimawandel schon Veränderung bei der Anpflanzung neuer Reben?
M.L.: Rivaner, Weißburgunder, Grauburgunder, Spätburgunder haben die Eltern schon angepflanzt. Die sind neben dem klassischen Riesling, unserem Schwerpunkt, auch hier am Mittelrhein typisch. Spätburgunder ist eine Rebsorte, die wir im sich ändernden Klima sehr gut hier auf dem Schiefer ausbauen können und im letzten Jahr neu angepflanzt haben. An dem Dornfelder, den wir als Einsteigerrotwein noch haben, wird der Klimawandel allerdings spürbarer und die Reben anfälliger. In diesem Jahr konnten wir aufgrund der Kirschessigfliege davon nichts ernten. Für südlichere Rebsorten, wie z. B. Cabernet Sauvignon, wird es hier tatsächlich auch noch in den nächsten Jahren zu kühl sein.
J.L.: Was natürlich schön zu beobachten ist, ist, dass der Riesling hier im Vergleich zu früheren Jahrzenten aktuell so richtig reif wird. Da wir ein recht nördliches Anbaugebiet sind und zukünftig auch auf die Seitentäler ausweichen können, wird uns dieser klassische Riesling-Charakter auch noch lange erhalten bleiben. Eine klassische Sorte, die schon lange zu uns gehört und auch früher einmal Hauptrebsorte am Mittelrhein war, ist der Müller-Thurgau. Wir haben im Seitental 40-jährigen Müller-Thurgau stehen.
M.L.: Von der Aromatik birgt die Rebsorte Müller-Thurgau hohes aromatisches Potential, das in der Massenproduktion allerdings in Neutralität verschwindet. Mit dem richtigen Knowhow haben wir nun einen leichten, aromatischen Sommerwein daraus gewonnen. Eigentlich sollte der Weinberg ausgehackt werden – jetzt haben wir zu wenig davon ; ).
J.L.: Die Scheurebe ist unser einziger „Exot“ hier am Mittelrhein.
M.L.: Wir hatten noch zwei 50 Jahre alte Rebzeilen Scheurebe. Während der Lehre habe ich die 100 Liter, anstelle sie zur üblichen Auslese zu vinifizieren, separat und frischer ausgebaut. Der ist richtig lecker und beliebt geworden. Daraufhin haben wir noch mehr Scheurebe gepflanzt, für deren Ausbau und Vertrieb ich die Verantwortung übernommen habe. Das ist ein echtes Privileg in einem gut funktionierenden Familienbetrieb, solche Möglichkeiten und Ideen umsetzen zu können!
Ihr habt noch eine althergebrachte Besonderheit in Eurem Weinangebot, den Riesling Hochgewächs.
M.L.: Genau, aber nicht mehr lange. Die Veränderung der Qualitätsstufen und Weinbezeichnungen versuchen wir bei uns auf dem Weingut schleichend zu gestalten. Wir hatten auch noch bis vor kurzem z. B. die Spätlese trocken. So gab es auch das Riesling Hochgewächs in allen Geschmacksrichtungen. Seit dem Jahrgang 2022 heißt er nur noch Riesling mit den jeweiligen Bezeichnungen der Restsüße und findet sich in der Kategorie der Gutsweine wieder. So ist in 2022 auch das Hochgewächs seit 40 Jahren zum ersten Mal verschwunden!
J.L.: In der Straußenwirtschaft und in der Region ist das Riesling Hochgewächs ganz typisch und bei den Kunden bekannt und beliebt. Wenn wir dann auf Messen und Veranstaltungen außerhalb vom Mittelrhein unterwegs waren, haben wir gemerkt, dass viele das überhaupt nicht einordnen konnten. Im deutschsprachigen Raum vielleicht noch, aber auf Englisch ist die Einordnung nach Mostgewicht und Punkten schwerer zu vermitteln. Da ist die Einordnung in Guts-, Orts, und Lagenwein auch international leichter verständlich. Mit dem neuen Weingesetz fanden wir den Zeitpunkt genau gut auf die Bezeichnung zu verzichten.
Was macht den Unterschied von Lambrich Riesling trocken und MAX Riesling trocken?
M.L.: Die Max-Weine sind Ortswein Qualität. Die Geschichte dahinter ist, dass ich während der Ausbildung zwei Weine in Eigenregie machen wollte - mit eigenem Etikett und allem. Eigentlich sollte sich der Projekt-Wein mit meinem Einstieg ins Familienweingut einfach so integrieren und keine extra Serie mehr sein. Jetzt haben die Weine aber so viele Liebhaber gefunden, sogar bis Finnland, dass wir die Weine gar nicht mehr weglassen können! Geschmacklich liegt der MAX zwischen dem Gutswein und den Alten Reben. Die Trauben für den MAX Riesling stammen von 40 Jahre alten Reben und gären spontan an, was schon einen deutlichen Unterschied zum Gutswein macht.
Wie alt sind dann die Alten Reben?
M.L.: Alte Reben sind +55 Jahre. Das sind echte Erbstücke, die der Opa in den 60er Jahren angepflanzt hat. Sie sind super in Schuss und kommen mit Trockenheit auch gut klar. Ähnlich alt sind die wurzelechten Reben vom Riesling Urgestein. Da sind die Erträge stark schwankend und zum Teil sehr gering! Dafür passt aber die Qualität in besonderem Maße.
Ihr habt auch Winzersekt im Portfolio. Gebt ihr den Sekt weg oder versektet Ihr selbst?
M.L.: Wir geben unseren Sektgrundwein zum Lohnversekter, einen kleinen Handwerksbetrieb hier in der Nähe. Der ist es gewohnt auch mal kleinere Mengen zu versekten und arbeitet nach unseren Vorstellungen.
Weinbereitung:
Wie vergären die Weine in Ihrem Keller: Spontan oder mit Reinzuchthefen?
M.L.: Bei den Gutsweinen aus Riesling oder Weißburgunder, wo es auf die Fruchtigkeit ankommt, arbeiten wir mit Reinzuchthefen in Edelstahltanks, um den Rebsortencharakter in den Vordergrund zu stellen. Die Ortsweine, wie der MAX Riesling, starten spontan und bekommen dann noch etwas Hefe dazu, damit sie bei nicht zu langer Dauer trocken durchgären, aber fruchtig bleiben. Der Riesling Urgestein aus unserer alten wurzelechten Anlage gärt mit langem Hefekontakt komplett spontan. Er repräsentiert als Lagenwein die Spitze der Qualitätspyramide und soll die Ursprünglichkeit und Tradition zusammen mit heutigem Wissen ausdrücken. Als einziger Weißwein reift der Weißburgunder S bei uns im Holzfass. Für die Zukunft will ich nicht ausschließen, dass wir da auch noch mit anderen Weißweinen Versuche machen und Erfahrungen sammeln werden. Unsere Rotweine liegen alle in gebrauchten Barriques, tatsächlich auch der Dornfelder, den wir noch haben. Der ist etwas weicher von den Tanninen als der Spätburgunder.
Schwefel wird im biodynamischen Anbau auch als Pflanzenschutz verwendet. Kommt er auch im Keller zum Einsatz?
M.L.: Auch wir verwenden Schwefel im Pflanzenschutz. In Jahren, in denen der Pilzdruck nicht besonders hoch ist, kann man einen Großteil der Behandlung mit Schwefel machen. Als natürliches Mittel trägt er dazu bei Nachhaltigkeit im Weinberg umzusetzen. Sulfite im Keller wiederum sind nur in Maßen nötig, wenn man gutes Erntegut, 100% gesunde Trauben gelesen hat, dann braucht man auch am Ende im Wein nur kleinste Mengen Schwefel, um ihn vor Oxidation zu schützen. Neben der Hefe, die den Wein vor der Abfüllung u. a. vor Oxidation schützt, ist Schwefel im abgefüllten Wein ein notwendiges Mittel.
Wie handhabt Ihr es mit der Filtration? Werden Eure Weine filtriert
M.L.: Filtriert wird der Wein, bevor er abgefüllt wird, um alle restlichen Hefen auszufiltern und bei restsüßen Weinen eine mögliche weitere Gärung zu verhindern. Generell bekommen unsere Weine aber viel Zeit, um sich von selbst zu klären. Riesling braucht von je her seine Zeit nach der Gärung, die wir ihm auch nach dem Abstechen von der Vollhefe lassen. Im Februar, März des Folgejahres sind die Weine dann schon fast klar im Glas. Dann geht es nur noch darum die Feinhefereste zu entfernen.
Persönliches:
Was ist die Philosophie des Weingutes?
J.L.: Das ist tatsächlich so, wie wir es auch auf unserer Seite schreiben: „4 Köpfe, 2 Generationen – 1 Ziel“. Gemeinsam möchten wir unsere Heimat vermitteln, die Schönheit des oberen Mittelrheintals, seinen Schiefersteilhängen, auf denen unsere Weine ihren einzigartigen Ausdruck bekommen. Wir zusammen, das bedeutet Wissen, das von einer Generation an die nächste weitergegeben wird, die Power und das Knowhow, mit der alle gemeinsam die tolle Charakteristik der Region in die Flasche bringen.
Wo liegen die Stärken des Weingutes? Was macht den ganz persönlichen Fußabdruck aus?
J.L.: Charakterstarke Weine zu erzeugen, die typisch für die Region sind. Wir sind ein kleiner Familienbetrieb. Das ist gleichzeitig unsere Stärke. So können und müssen wir viel selbst und von Hand arbeiten. Das kommt der Qualität unserer Weine zugute. Die Reben erhalten intensive Aufmerksamkeit und sorgfältige Bearbeitung.
M.L.: Mindestens fünf Mal im Jahr laufe ich bei den Handarbeiten um jeden Rebstock. Wir alle vier gehen mit unserem Wissen in den Weinberg und nehmen wahr, wie sich die Reben verhalten und können darauf reagieren. Das macht den Unterschied zur maschinellen Bearbeitung. Wir sind an allen Prozessen ganz nah dran, von der Traube am Rebstock bis zum fertigen Wein im Keller. So kann ich Seriosität vermitteln, weil ich weiß, wo und wie die Traube im Weinberg durch das Jahr gegangen ist.
Was war das persönliche TOP und welches der FLOP bis jetzt in der Karriere als Winzer?
M.L.: Glücklicherweise gab es noch keinen Wein, der so richtig danebengegangen ist!
Die Erfolgsgeschichte des „Urgestein“ ist ein richtiges Top: 2021 war der erste Jahrgang, in dem wir den Wein gemacht haben. Das war Julias und meine Idee. Wir haben überlegt, wir brauchen noch die Spitze der Qualitätspyramide. Da sucht man sich etwas aus, wo man sein ganzes Wissen einbringt. Eine kleinere Menge besondere Trauben gepaart mit einer Vorstellung, wie der Wein werden soll - unwissend, ob es auch tatsächlich das gewünschte Ergebnis bringen wird. Das Rezept ist aufgegangen. Der größte Publikums-Erfolg war aber tatsächlich mit der MAX Scheurebe. So ein kleiner Tank mit gerade einmal 100 Liter, der so gut geworden ist! Ein echtes Erfolgsprojekt.
J.L.: Flop ist wohl nicht der rechte Ausdruck für den geringen Bekanntheitsgrad und die damit verbundene mangelnde Wertschätzung für die Winzer unserer Region und deren Arbeit in dem prozentual hohen Anteil an Steillagen. Wir sind ein kleines Anbaugebiet mit wenigen Winzern, die im Haupterwerb mit Qualitätsstreben in den Steillagen arbeiten. Da wird einem schnell das Gefühl vermittelt sich immer beweisen und erklären zu müssen, dass wir mindestens so gut sind wie andere Anbaugebiete auch. Wissen und Können misst sich nicht an der Größe des Anbaugebietes. Klein bedeutet nicht schlecht. Voller Enthusiasmus geht man zu Präsentationen und Messen, um dann zu hören: „Ja, aber der Mittelrhein ist eh so klein...“ da muss man dann schon immer wieder tief durchatmen - und weitermachen.
M.L.: Mit 6 Hektar wird man häufig dafür belächelt, dass man die Weine selber im eigenen Keller ausbaut und im normalen Preissegment arbeitet.
Da muss ich direkt noch einmal nachfragen: Euer „Urgestein“ als Qualitätsspitze und Lagenwein ist für die Ausbauart und Zeit, die Ihr aufwendet, im Preis mit 12,50€ in meinen Augen sehr günstig. Ist dieser bescheidene Preis genau der mangelnden Wertschätzung für den Mittelrhein geschuldet?
J.L.: Eigentlich müssten wir die Preise anheben. Das ist noch schwierig mit der Kundschaft, die uns seit langem treu ist. Außerhalb des Anbaugebietes müssten wir deutlich mehr verlangen. Das ist gerade eine schwierige Umbruchphase. Das betrifft nicht nur uns, sondern den gesamten Mittelrhein.
Wenn jemand Euch noch nicht kennt, welchen Einsteiger-/Anfänger-Wein würden Ihr ihm empfehlen?
M.L.: Riesling feinherb! Riesling als typische Rebsorte für die Region und im feinherben Riesling kommt die Mineralität, dieser fruchtige Charakter, das Süße-Säure-Spiel unheimlich gut raus. Er erreicht alle- auch den Weinliebhaber, der trockene Weine bevorzugt. Durch seine Mineralität wirkt er nicht süß. Er ist der Typ „Everybody’s Darling“, der alle in den Riesling-Bann ziehen kann. Wenn der Gutswein eines Weingutes gut ist, dann kann man sich auch „höher“ probieren. Die Grundqualität sollte stimmen.
Welcher ist euer persönlicher Lieblingswein vom eigenen Weingut und gibt es Weine von anderen Weingütern, die Ihr sehr schätzt?
M.L.: Lieblingswein in dem Sinne habe ich nicht. Meine Lieblingsrebsorte ist ganz klar der Riesling und vom eigenen Weingut mag ich gerne die Alten Reben, mit ihrer Struktur und Kraft, ohne anstrengend zu sein. Ansonsten liebe ich de Vielfalt – auch gerne einen schwereren Rotwein im Winter, wie Cabernet Sauvignon aus z. B. Südtirol. Weißweine mag ich gerne aus Deutschland oder Österreich.
J.L.: Mir geht es tatsächlich ähnlich. Ich mag gerne „Cool Climate Rieslinge“ vom Schiefer und kräftige Rotweine. Einen bestimmten Lieblingswein habe ich auch ich nicht. Es gibt so viel zu probieren, da kann man sich einfach nicht auf einen Wein festlegen :).
Habt Ihr Wünsche/Visionen für die Zukunft?
M.L.: Mehr Wertschätzung für die Region Mittelrhein erreichen! Gemeinsam mit den motivierten Jungwinzern, -winzerinnen dafür sorgen, dass die Weinbaufläche am Mittelrhein mindestens erhalten bleibt, wenn nicht sogar anwächst. Wir können in einer Generation nicht das Versäumnis vorheriger Generationen und deren Umgangsweisen aufarbeiten, bzw. umkrempeln. Der übergeordnete Wunsch ist weiterhin solche Rieslinge hier produzieren zu können und weiterhin Spaß daran zu haben.
J.L.: Wünschenswert für den Erhalt solch engagierter Familienweingüter wäre eine Politik, die unsere Existenz nicht bedroht.
Ich wünsche Euch ganz viel Erfolg für Euer großes Engagement für das Weingut und darüber hinaus für das Anbaugebiet Oberes Mittelrheintal! Herzlichen Dank für das Gespräch!
Weine aus dem Artikel:
Alle Weine vom Weingut Albert Lambrich