Winzerinterview mit Michael Andres
Deidesheim an der Deutschen Weinstraße steht für bekannte Lagen, große Weine und Winzer mit Leidenschaft. In unserer Reihe der Winzerinterviews zeigen wir Persönlichkeiten, die voller Engagement hinter ihren Weinen stehen. Die Individualität, mit der charakterstarke, terroirgeprägte Weine kultiviert und ausgebaut werden, lässt sich besonders gut aufzeigen, wenn die Weingüter geografisch gar nicht so weit auseinander liegen.
Das Familienweingut Andres wird seit 2015 von den beiden Brüdern Michael und Thomas Andres gemeinsam geführt. Gegründet wurde es vom Großvater, der wie es damals üblich war, den Weinbau in Kombination mit Landwirtschaft und Viehhaltung betrieben hat. In der Zeit des Wirtschaftswunders nach dem zweiten Weltkrieg wurde es möglich, sich mit den guten Lagen in und um Deidesheim auf den Weinbau zu konzentrieren und davon zu leben. Nach dem frühen Tod des Großvaters hat der Vater Matthias Andres im Alter von 20 Jahren schon in voller Verantwortung den Betrieb geführt und alltagstaugliche Weine von guter Qualität vermarktet.
Mit mehr Wissen durch Studium in Neustadt, bzw. Geisenheim und Praktika in verschiedenen Betrieben haben Michael und Thomas ambitioniert die geschaffenen Grundlagen von Vater und Großvater nun in dritter Generation übernommen. Namhaften Lagen in Deidesheim, Königsbach und Forst und die guten Voraussetzungen eines intakten Familienbetriebes sind eine perfekte Grundlage für die beiden Brüder, ihr Qualitätsstreben umzusetzen. Zielsetzung ist ein Mitspielen „ganz oben in der Champions League“, d.h. herausragende und aufregenden Weine zu machen.
„Die Kombination aus ökologischem Umgang mit der Natur, viel Handarbeit und dem verantwortlichen Weiterführen von Tradition ist der Schlüssel zu außergewöhnlicher Qualität und Stil.“ lautet ihre Devise dazu.
Das Interview führe ich mit Michael Andres durch. Stellvertretend für seinen nur wenig jüngeren Bruder Thomas beantwortet er die meisten Fragen mit einem selbstverständlichen WIR.
War es immer schon Ihr Berufswunsch Winzer zu werden? Oder gab es da auch andere Ideen?
M.A.: Für meinen Bruder war das immer schon klar, dass er das machen möchte. Er war nach seinem Studium in Neustadt zusätzlich in Heilbronn und hat Betriebswirtschaft gelernt. Ich habe früher auch mal in andere Richtungen geschaut. Wenn man auf einem Weingut aufwächst, hat man von früh an alltägliche Berührungspunkte mit dem Wein. Das facettenreiche und die Entwicklungsmöglichkeiten, was man daraus entwerfen kann, das hat sich erst im Austausch mit anderen und dem Kennenlernen anderer Weingüter aufgezeigt. Ab da wurde es für mich auch spannend und faszinierend. Wir hatten hier im elterlichen Weingut direkt die Chance und Perspektive nach der Ausbildung viel zu bewegen.
Was bereitet Ihnen die meiste Freude bei der Arbeit mit Wein?
M.A.: Der Ehrgeiz, immer besseren Wein zu erzeugen, nicht satt zu sein - immer noch eine Schüppe drauf zu legen. Wir probieren viel bei anderen, um die Stellschrauben zu finden, an denen man noch drehen kann. Das macht unheimlich Spaß.
Wie groß ist Ihr Betrieb?
M.A.: Heute sind es 28 ha.
Da muss ich direkt noch einmal dazwischenfragen: Ihre Ortsweine stammen von ersten und großen Lagen. Das ist sehr besonders.
M.A.: Wir haben 15 Hektar vom Vater übernommen. Wenn sich die Gelegenheit angeboten hat, von Nachbarn oder Genossenschaften im Lagenbereich noch Parzellen zu übernehmen, haben wir sie gerne ergriffen! – Da war viel Glück dabei!
Erste Lagen | Große Lagen |
Deidesheimer Herrgottsacker | Ruppertsberger Reiterpfad |
Deidesheimer Paradiesgarten | Königsbacher Ölberg |
Deidesheimer Leinhöhle | Deidesheimer Kieselberg |
Ruppertsberger Spiess | Forster Ungeheuer |
Haardter Mandelring | Königsbacher Idig |
Haardter Herzog |
Werden die Weinberge von Hand oder maschinell bearbeitet?
M.A.: Natürlich werden Rebschnitt und Lese, also die für die Qualität wichtigen Arbeiten, von Hand durchgeführt. Aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen versuchen wir mit den Maschinen mehrere Arbeitsschritte in einem Durchgang zu tätigen wie: Das Walzen der Begrünung, die mechanische Unkrautvernichtung und den biologischen Pflanzenschutz.
Wie viele Mitarbeiter sind auf dem Weingut beschäftigt und wie ist die Arbeitsaufteilung?
M.A.: Den harten Kern hier auf dem Weingut bilden meine Eltern und wir beiden Brüder zusammen mit zwei Festangestellten und in der Regel ein bis zwei Azubis. Über das Jahr verteilt wechselt sich ein Stamm von acht Mitarbeitern ab, die schon seit vielen Jahren bei uns arbeiten. Um unsere gewünschten Qualitätsziele zu erreichen, braucht es auch die entsprechende Anzahl Mitarbeiter, die die akkurate Handarbeit leisten. Während der Lesezeit sind wir mittlerweile deutlich über 20 Leute. Wir sind überhaupt nicht hierarchisch strukturiert, sondern arbeiten gleichberechtigt jeder in seinem Kernbereich nebeneinander.
Mein Bruder ist in der Hauptsache draußen im Weinberg und ich bin mehr im Keller beschäftigt. Das ist nicht statisch, sondern auch jahreszeitlich davon abhängig, wo viel zu tun ist. Meine Mutter ist die Königin im Büro. Ohne sie läuft nichts im Rechnungswesen und Versand. Natürlich bringt jeder von uns vieren auf seine Art und Weise Geduld und Disziplin für die bürokratischen Pflichten auf, die ein Bio-zertifizierter Betrieb innerhalb der EU zu leisten hat. Mein Vater kümmert sich um das Lager und die Logistik, den Versand der Weine mit Speditionen, sowie die vielen anfallenden Arbeiten, die im ganzen Weingut seine helfende Hand und seinen Einsatz erfordern.
Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Einige Ihrer Weine sind Bio zertifiziert, andere nicht. Oder sollte ich sagen, noch nicht?
M.A.: Wir haben im Jahr 2016 auf Biologischen Anbau umgestellt. Manche Parzellen sind erst später zu uns gekommen. Da die Umstellung drei Jahre dauert, sind manche Weine erst nach 2020/2021 Bio zertifiziert. Ab Jahrgang 2023 sind dann alle Weine zertifiziert.
Sie lassen auch biodynamische Methoden in die Weinbergsarbeit einfließen?
M.A.: Ja. Mittlerweile haben wir so ein gutes Team, dass aus unseren anfänglichen Versuchen ein komplettes biodynamisches Arbeiten geworden ist. Das braucht mehr Zeit und dementsprechend mehr Leute um die Präparate, den Hornmist und Hornkiesel auszubringen. Ganz wichtig und wesentlich ist mir der eigene Kompost, den wir mit dem eigenen Trester, Mist vom örtlichen Pferdebauer und Grünschnitt ansetzen. Das ergibt dann die lebendige Erde, die wertvoll für den Weinberg ist. Dabei finden wir es wichtig den zugrunde liegenden Gedanken der Kreislaufwirtschaft hier regional umzusetzen.
Wir arbeiten heute schon zu 95% nach Demeter-Richtlinien und ich denke, in ein bis zwei Jahren werden wir auch da eine Zertifizierung anstreben - einfach um unsere Einstellung glaubwürdig kenntlich zu machen.
Lesezeitpunkt: Was gibt den Ausschlag für die Reife? Wie sollten die Trauben im besten Fall sein.
M.A.: Gut schmecken und schönes Mostgewicht haben, dann ist es perfekt! (Lacht)
Natürlich ist der Geschmack das Ausschlaggebende. Das Mostgewicht gibt den Zuckergehalt an und wichtig ist die entsprechende Säure, damit im Wein die Spannung erhalten bleibt. Aufgrund der gemachten Erfahrungen entscheidet man im Weinberg stehend auch aus dem Bauch heraus. Manchmal weiß man direkt „Jetzt“ ist es so weit und manchmal fährt man bis zu dreimal täglich fünf Tage die Woche in den gleichen Weinberg. Es ist keine reine Sache der mit dem Refraktometer gemessenen Werte, sondern auch eine Gefühlssache und das Gespür für die Vitalität im Weinberg.
Hat der Klimawandel Einfluss auf den Lesezeitpunkt?
M.A.: Klar, lesen wir heute eher als vor Jahrzehnten. Aber wir haben heute auch unsere Bearbeitungsmethoden an die Veränderung angepasst. Hier in Deutschland herrscht nach wie vor Cool Climate, was den Weinbau anbelangt. Noch vor 20, 30 Jahren wurde mit üppigen Laubwänden versucht ein Maximum an Öchsle zu erreichen. Wir achten heute auf Beschattung anstelle der Besonnung der Trauben. Die Forschung hat Klone entwickelt, die später reifen und im Ertrag angepasst sind. Im Zusammenspiel mit der Genetik alter Sorten haben wir einen Pool an Möglichkeiten. Wassersparende Begrünung zwischen den Rebzeilen ist wegen zunehmender Wasserknappheit ein wesentlicher Faktor. Wassermangel ist eine größere Bedrohung als die Hitze.
Bei Hitze machen die Trauben „zu“ und stoppen ihre Entwicklung. Trockenheit dagegen bereitet den Reben regelrecht Stress. Dennoch ist das kein Argument Weinberge zu bewässern. Wein ist ein Luxusgut und Wasser eine lebensnotwendige Ressource, die der Lebensmittel produzierenden Landwirtschaft vorzugsweise zur Verfügung stehen sollte und nicht für mehr Ertrag im Weinberg eingesetzt werden sollte.
So ist Ihre ertragsreduzierte Lese im Weinberg neben dem Qualitätsstreben auch eine echte Überzeugungssache?
M.A.: Unbedingt. Das Zusammenspiel von Menge und Güte ist auch bei den qualitätsorientierten Kollegen gängige Praxis. Mit 70 hl/ha entsteht kein Großes Gewächs. Die geringen Erträge entstehen durch die Selektion im Sommer und dann während der Lese.
Inwieweit ist die Rebsortenauswahl typisch für die Region? Sie haben z.B. Cabernet Sauvignon, Merlot und Spätburgunder als rote Rebsorten angepflanzt. Cabernet Sauvignon und Merlot sind internationale Sorten. Ist deren Anbau dem Klimawandel geschuldet?
M.A.: Die hat mein Vater bereits angepflanzt. Die werden als kleiner Teil erhalten bleiben, den wir nicht erweitern werden. Unsere Konzentration gilt dem Spätburgunder.
Muskateller, Sauvignon Blanc, Grau-, Weißburgunder, Chardonnay und Riesling sind Ihre weißen Rebsorten. Wo liegt da der Fokus?
M.A.: Ganz klassisch beim Riesling, dicht gefolgt vom Chardonnay. Der Chardonnay kann bei uns als Cuvée mit dem Weißburgunder vom Gutswein bis hin zum Lagenwein viel abdecken. Chardonnay ersetzt hier in der Pfalz den weichenden Silvaner. Er kommt klimatisch hier gut zurecht und spiegelt die Böden gut wider. Deswegen ist er gerade im Lagenbereich eine interessante Rebsorte. Sauvignon Blanc und Muskateller spielen hier eine kleinere Rolle, eher als Spezialität. Grau- und Weißburgunder stehen in den Basislagen, bekommen dort ihre Aufmerksamkeit und bringen gute Qualitäten. Die Lagen sind allerdings dem Chardonnay vorbehalten. Riesling, Spätburgunder und Chardonnay sind unser Hauptrebsorten.
Wie alt sind die alten Reben beim Weißburgunder „Alte Reben“?
M.A.: Die sind über 35 Jahr alt und stehen im Haardter Herzog, eine Lage, die wir von einem alten Winzer-Nachbarn übernehmen konnten, die prima gepflegt wurde.
Weinbereitung:
Sie vergären Ihre Weine spontan. Kommen auch Reinzuchthefen zum Einsatz?
P.W.: Wir sind da ehrlich und keine Dogmatiker. Während der Gärung führen wir ständig Kontrollen durch und bis jetzt gären die Weine spontan gut bis zum Ende. Wenn es nötig werden sollte, sträuben wir uns nicht dann nachzuimpfen. Aber generell sollten die Weine spontan durchgären. Ein Überimpfen aus Sicherheitsgründen machen wir nicht.
Schwefel wird im biodynamischen Anbau auch als Pflanzenschutz verwendet. Kommt er auch im Keller zum Einsatz?
P.W.: Da wir keine Naturweine produzieren, geben wir gegen die Oxidation vor der Füllung zwischen 60 und 70 mg (bis zu 200mg wären erlaubt) zu, getreu dem Motto „So viel wie nötig und so wenig wie möglich.“ Sowohl der Zeitpunkt als auch die zugegebene Menge erfordert Sensibilität.
Wie handhaben Sie es mit der Filtration? Werden Ihre Weine filtriert?
P.W.: Teils teils. Im Lagenbereich laufen die durch die lange Reifezeit sedimentierten Weine nur durch das grobe Sieb, so dass wirklich keine Trubstoffe darin sind. Im Gutsweinbereich oder die Weine mit Restzucker werden so filtriert, dass keine Nachgärung durch Resthefeteilchen mehr möglich ist.
Persönliches:
Was ist Ihre Philosophie?
M.A.: Back to the roots. Pure Weine wie vor 100 Jahren zu produzieren.
Ganz klar sind wir offen für neue Ideen und Modernes, aber unsere Weine sollen ohne Schönungsmittel so pur wie möglich sein.
Und ganz wichtig: Unsere Pfälzer Identität wahren und spiegeln! Wir haben viel Fröhlichkeit in uns und das soll man schon bei den Gutsweinen merken. Da ist viel Spaß im Glas gepaart mit einer festen Struktur. Die Lagen sind ausdruckstark und individuell.
Wo liegen die Stärken des Weingutes? Was macht den ganz persönlichen Fußabdruck aus?
M.A.: Unsere Eigenständigkeit ist unsere Stärke. Wir versuchen jedes Detail der verschiedenen Lagen und verschiedenen Parzellen unterschiedlich auszubauen. Im Basisbereich erzeugen wir Weine mit Körper, Struktur & Spaß.
Was war das persönliche TOP-Ereignis und welcher FLOP begleitet bis jetzt Ihre Karriere als Winzer?
M.A.: TOP: Der Riesling 2021 im Lagenbereich war Top! Was sich allerdings bis jetzt in 2023 zeigt, das wird noch besser! Dieses Jahr begeistert uns sehr! Wir haben so viel Arbeit wie noch nie diesen Sommer im Weinberg geleistet – und es hat sich voll gelohnt!
FLOP: Das Jahr 2018 hat uns mit seiner Hitze gefordert. Da sind manche Weine etwas plumper geraten. Das hat uns die Augen geöffnet, dass wir mehr Obacht im Laubmanagement, d. h. Beschattung haben müssen. Der Jahrgang war eher ein Lehrstück als ein Flop. Der Jahrgang 2022 war dann ähnlich vom Wetter wie 2018 und da haben wir es hinbekommen, die Frische zu behalten.
Wenn jemand Sie noch nicht kennt, welchen Einsteiger-/AnfängerWein würden Sie ihm empfehlen?
M.A.: Natürlich zeigen die Gutsweine die Grundqualität. Aber mit dem Ortswein Deidesheimer Riesling wird unser Ausdruck deutlich. Dann ganz klar, noch den Haardter Chardonnay, da Riesling und Chardonnay für uns einfach typisch sind.
Was ist Ihr Lieblingswein des eigenen Weingutes und gibt es Weine von anderen Weingütern, die Sie sehr schätzen?
M.A.: Persönlich mag ich unseren Riesling vom Deidesheimer Kieselberg sehr gerne. Der ist im Anfang sehr gerade, fast etwas ruppig, entwickelt sich aber im Glas toll und macht viel Spaß.
Hier im Umfeld ist das Weingut Bürklin Wolf ein naheliegendes Vorbild. Ich habe während meiner Ausbildung im Wonnegau beim Weingut Wittmann gearbeitet, was ich nach wie vor sehr schätze. Weitere schätzenswerte Kollegen in Rheinhessen sind für mich auch die Weingüter Battenfeld-Spanier oder Wagner-Stempel.
Aus dem Burgund hat uns lange Zeit z. B. Domaine Leflaive stark beeindruckt. Neugierig, wie wir sind probieren wir gerne querbeet aus vielen Regionen.
Haben Sie Wünsche/Visionen für die Zukunft?
M.A.: Wir möchten große Weine erzeugen, das ist die Vision. Die Messlatte liegt hoch und das Ziel muss man sich ganz klar erarbeiten - das passiert nicht von alleine. Wir haben Lust da immer wieder Gas zu geben.
Der Wunsch ist, dass wir immer so weiter agieren dürfen! Dass es immer so weiter möglich sein wird Weine zu produzieren und unseren Traum zu leben - nicht zuletzt dank unserer Partner, die unsere Weine vertreiben.
Vielen Dank, dass Sie sich nach der anstrengenden Lese die Zeit für das Interview genommen haben!
Weine aus dem Beitrag:
Alle Weine vom Weingut Andres