Champagner! Schon der Klang dieser drei Silben, die eine elegante und melodische Welle formen, weckt Genuss-Assoziationen von prickelnder, vibrierender Lebenslust im Geist und am Gaumen.
Was ist das Reizvolle an Champagner?
„I only drink champagner
when I'm happy and
when I'm sad. Sometimes
I drink it when I'm alone.
When I have company
I consider it obligatory.
I trifle with it if I'm not
hungry and drink it
when I am. Otherwise I never touch it
– unless I'm thirsty.“
Lily Bollinger
Was ist dran an Meinungen wie „zu teuer“ oder „nur etwas für ganz besondere Anlässe“? Ist Champagner wirklich ein reiner Luxusartikel?
Als Antwort kann man das Verhältnis von Konsum und Wert heranziehen. Laut der aktuellen Seite von Champagne France bestreitet die Champagne als Wiege des Schaumweins heute gerade mal „nur noch“ 9% des Schaumweinkonsums und erzielt damit 33% des Schaumweinumsatzes auf nur 0,5% der weltweiten Anbaufläche. Übrigens ist Deutschland mit 11,1 Mio. Flaschen Champagner an vierter Stelle in der Liste der Absatzmärkte!
Was unterscheidet Champagner von anderen Schaumweinen?
„Der Champagner ist ein mythisches Produkt, das Teil des französischen Kulturerbes ist.“
CIVC, Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne
Nicht nur innerhalb Frankreichs wird die Champagne als wertvolles Erbe betrachtet. Im Juli 2015 wurden die Coteaux, Maisons et Caves de Champagne in die Welterbe-Liste der UNESCO aufgenommen.
Die Geschichte einer besonderen Herkunft und Erfindung
Um die Hintergründe für das Besondere, das dem Champagner anhaftet, besser zu verstehen, reisen wir jetzt im Kurztrip durch die Geschichte des nördlichsten Weinanbaugebietes Frankreichs:
Die Champagne:
Die Geschichte, die eng mit der Aristokratie verbunden zu sein scheint, verdeutlicht die frühe Sonderstellung der Region. Das übergeordnete Interesse aller Vereinigungen und Vertretungen der Champagne gilt dem Erhalt des Erbes und dem Ansehen der Champagne weltweit.
Im Jahre 496 wurde der Frankenkönig Chlodwig (466-511) in der Kathedrale Notre-Dame-de-Reims getauft. Die nachfolgenden französischen Könige vollzogen ihre Krönungszeremonien in ebendieser Kathedrale in Reims. Das bescherte dem Wein der Region, der bei den feierlichen Anlässen reichlich getrunken wurde, schon damals als „Wein der Könige“ Anerkennung. Nach Jahrhunderten des Wachstums, hatte auch die Region Champagne unter den Verwüstungen des Hundertjährigen Krieges (1337-1453) zu leiden. Ab dem 17. Jahrhundert legten findige Menschen wie der Benediktinermönch Dom Pierre Pérignon den Grundstein (oder vielleicht eher: Grundwein? ;D ) für die spezielle Art der Weinbereitung in der Champagne, die Assemblage. Neben dem Verschneiden bestimmter Rebsorten, entwickelte er die Herstellung weißen Weines aus roten Trauben durch sanftes Abpressen.
Der im Londoner Exil lebende Marquis de Saint-Evremond ließ sich Weißweine aus der Heimat über den Kanal schiffen. Während der Wein den Kanal überquerte, setze bei entsprechend warmer Witterung eine zweite Gärung in den Fässern ein. Der so zufällig mit Kohlensäure versetzte Wein fand großen Gefallen in den adeligen Kreisen. In der Zeit um 1690 wurde in dem nördlichsten Weinanbaugebiet Frankreichs beschlossen, sich auf Schaumweine zu spezialisieren. Diese wurden dann auch nicht mehr als Vin de France, sondern als Vins de Champagne bezeichnet. Bis sich die gewünschte prickelnde Kohlensäure im Wein als Méthode champenoise etablierte, gingen viele Flaschen zu Bruch, was den Wein zur teuren Rarität machte. Viele Schritte und Entdeckungen waren nötig, um das heute in der Champagne perfektionierte Verfahren der zweiten Gärung in stabilen Flaschen zu entwickeln.
Im 18. Jahrhundert entstanden Champagnerhäuser, deren Namen bis heute marktführend sind. Sie waren wesentlich an der Entwicklung der Technologien und Herstellungsverfahren des Champagner beteiligt. 1837 fand der Apotheker Jean-Baptiste François die Berechnung der richtigen Zuckerzugabe für die optimale Kohlendioxidbildung während der zweiten Gärung heraus. Dabei wurde erst 1860 von Louis Pasteur der Nachweis und die Funktionsweise der Hefepilze in der alkoholischen Gärung herausgefunden.
Die Reblaus Katastrophe ließ auch die Champagne nicht verschont. Die Champagner Häuser und Winzer der Region sorgten mit der Gründung der Association Viticole Champenoise für den Aufbau der Weinberge mit resistenten amerikanischen Unterlagen. Die Kultivierung der Champagne als besondere Region wurde bereits 1887 per Gerichtsurteil in Angers anerkannt. Nur Weine aus der Champagne dürfen das Wort „Champagne“ benutzen. 1936 wurde die Champagne mit all ihren strengen Regeln als AOC gekennzeichnet. Seit 1941 sorgt und überwacht die Vereinigung der Champagner-Häuser und -Winzer, das CIVC (Comité interprofessionnel du vin de Champagne), weltweit für die korrekte Benutzung des streng geschützten Begriffs Champagne.
Um das wertvolle Erbe vor Missbrauch zu schützen, macht sich die Region in einer sehr außerordentlichen, gemeinschaftlichen Art stark. Die 1882 gegründete Union des Maisons de Champagne UMC und der 1904 gegründete Allgemeine Verband der Champagne Winzer SGV (Syndivat Génèral des Vignerons de la Champagne) zusammen mit dem CIVC treffen gemeinsam Entscheidungen, Wirtschaft, Technik und Umwelt in der Region betreffend.
Es gilt die Einzigartigkeit der Champagne unangefochten zu erhalten.
Méthode champenoise
Eine Region und ihre eigene Methode der Schaumweinherstellung
Diese Einzigartigkeit spiegelt sich im Namen des Herstellungsverfahrens wider. Nur Schaumweine aus der Champagne, die nach den strengen Regeln des Anbaugebietes hergestellt wurden, dürfen sich Champagner nennen. Ebenso verhält es sich mit der „Méthode champenoise“, die seit 1994 laut EU-Verordnung weingesetzlich geschützt ist. Wird an einem anderen Ort dieser Erde außerhalb der Champagne nach dem Verfahren der Flaschengärung Schaumwein hergestellt, kann das Verfahren als Méthode traditionelle oder Méthode traditionelle classique oder traditionelle Flaschengärung bezeichnet werden. Keinesfalls darf ein Produzent außerhalb der Champagne die Herstellung seiner sorgsam mittels einer zweiten Gärung in der Flasche hergestellten Schaumweine als Méthode Champenoise auszeichnen.
Eine ausführliche Erklärung der Traditionellen Flaschengärung haben wir bereits im Teil 2 dieser Schaumweinserie beschrieben. Hier geht es nun um das, was ein Champagner aufgrund seiner Herkunft erfüllen muss. Auf die Grundlage zur Herstellung eines Champagners – die Grundweine - gehen wir im Anschluss ein.
Was gilt es für den Champagner-Produzenten zu beachten?
Oder andersherum gefragt:
Welche Vorschriften sind mit dem gesetzlichen Schutz verbindlich?
Die im Jahre 1935 festgelegten strengen Regeln, die mit zur Kennzeichnung der Champagne als AOC seit 1936 führten beziehen sich auf:
- Die Fülldosage (Liqueur de tirage) für die zweite Gärung in der Flasche
- Die Flaschengärung
- Den Arbeitsschritt des Rüttelns, die Remuage als Vorbereitung für
- Das Entfernen des Hefesatzes, das Dégorgement
- Zum Abschluss die Versanddosage (Liqueur d'expédition)
Die Fülldosage
Erst ab dem 01. Januar im Folgejahr der Weinlese dürfen die assemblierten Grundweine mit der zweiten Gärung, beginnen. Seit dem Jahr 2002 startet die „prise de mousse“ (Schaumweinbildung) in den Flaschenformaten von 0,375 bis 3 L (Jeroboam) direkt in den Flaschen, in denen der Champagner in den Verkauf geht. Nach der Zugabe der Fülldosage (Gemisch aus Stillwein ,Zucker, Hefe) dauert die zweite Gärung zwischen 10 Tagen und 3 Monaten.
Die Flaschengärung
Mit der Flaschengärung startet die dunkle, kalte Zeit im Keller. Bei einer Temperatur von 9-12°C entsteht Alkohol und das erwünschte Kohlendioxid, sprich die Perlage im Wein. Haben die Hefen diese Arbeit geleistet beginnt die „sur lie“ Phase, die Zeit der Reifung auf der Hefe. Mindestens 15 Monate muss der Wein im Keller reifen und wenigstens 12 Monate davon auf der Hefe liegen. Ein Jahrgangschampagner muss mindestens 3 Jahre auf der Hefe reifen um die gewünschten Aromen, die bei der Autolyse und langsamen Oxidation entstehen, zu erreichen.
Die Remuage, das Rütteln
Die Kunst des Rüttelns beherrscht der Remueur, der Rüttelmeister. Erwünschtes Ziel ist es die Hefereste, die sich als Bodensatz während der Reifephase abgelagert haben, langsam in Richtung Flaschenhals zu bewegen, bis sich der komplette Bodensatz am Kronkorken innen abgelagert hat. Was früher in Pulten manuell gerüttelt wurde, darf heute auch in der Champagne automatisiert ausgeführt werden. Somit verkürzt sich die Zeit des Rüttelns von sechs auf eine Woche und wie versichert wird „ohne Qualitätsverlust“.
Das Degorgieren
Armand Walfard, Leiter eines Champagne-Hauses, erfand 1884 das bis heute angewendete Eisdegorgieren. Die Flaschen werden mit dem Flaschenhals in ein Eisbad getaucht. Bei -27°C gefriert das Depot im Flaschenhals und wird beim Öffnen der Flasche durch den Überdruck hinausgedrückt. In besonderen Fällen (ganz besondere Cuvées) wird das Degorgieren von Hand ausgeführt. Dieser spannende Moment, in dem der lange gelagerte Schaumwein mit Licht und Luft in Berührung kommt, wird dann als „á la volée“ bezeichnet.
Die Versanddosage
Neben den schon in Teil 1 und 2 erklärten Süßegraden, die mittels der Versanddosage bestimmt werden, kommt es auch vor, dass ein Champagnerhaus die Dosage von ungefähr 1cl pro 0,75l mit besonderen, gelagerten Weinen auffüllt um noch die letzte unverwechselbare Verfeinerung zuzuführen.
Weitere Informationen zur Dosage sowie eine Tabelle mit Informationen bezüglich der EU-weiten Einteilung gibt es an dieser Stelle.
Vom Weinberg bis zur Assemblage
Natürlich gelten auch für den Weinanbau in der Champagne, sprich für die Arbeiten im Weinberg strenge Regeln. Wachstum und Reifung von Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier, den drei Hauptrebsorten für die Produktion von Schaumwein in der Champagne, werden auf 275.000 Parzellen von 16.000 Winzern sorg- und arbeitsam unterstützt. Die vier Regionen Vallée de la Marne, Côte des Blancs, Côte des Bars und Montagne de Reims, 319 Gemeinden, insgesamt rund 34.200 Hektar umfasst das Weinanbaugebiet. Von den vier in der Champagne angewendeten Formen des Rebschnitts trägt einer sogar den Namen der Region: Taille Vallée de la Marne liée.
Die Grundweinherstellung
Die handgelesenen Trauben sind richtig, wenn die Balance von Säure, wenig adstringierenden Phenolen und Reifegrad gegeben ist. Ziel nach der ersten Gärung sollte ein geringer Alkoholgehalt von nur ungefähr 9% vol. (max. 11% vol.) sein. Da Pinot Noir und Pinot Meunier überwiegend als Blanc de noir weiterverarbeitet werden, ist beim Transport vom Weinberg bis zur Presse darauf zu achten, dass ein Anquetschen der Trauben vermieden wird. Die Parzellen werden einzeln vinifiziert.
Das Pressen
Tatsächlich wurde der Vorgang des Pressens noch lange von Hand betrieben. Das Fassungsvermögen einer Presse wird als Marc gemessen und beträgt 4.000 kg Trauben, die 2.550l Saft ergeben dürfen. Erst Ende der 1980er Jahre hielt die Technik in Form von sanften mechanischen Pressen bei diesem Arbeitsschritt Einzug. Das Pressen bestimmt nicht nur die Menge des Mostes, sondern auch dessen Qualität und ist damit ein wichtiger Schritt, sozusagen nach der Lese die nächste „Selektion“. Man unterscheidet den ersten Teil des ausgepressten Saftes, die Tête de cuvée (2.050l) vom zweiten Pressvorgang, der Taille (500l). Diese „trennende“ Art des Pressens wird auch als fraktionierte Pressung bezeichnet. Die Tête de cuvée ist durch die geringere Pressung von Schalen und Kernen feiner, filigraner im Geschmack und einige Champagner Häuser verarbeiten nur diese erste Pressung. Die Taille enthält mehr Phenole und insgesamt einen kräftigeren Ausdruck, im wahrsten Wortsinn! Der gepresste Saft wird dann in „Belons“ gefüllt, geschwefelt und geklärt.
Die erste Gärung
So wie die Häuser entscheiden, ob sie mit oder ohne Taille ihre Grundweine erzeugen, so unterschiedlich ist auch die Stilistik, was die Behälter für die erste Gärung betrifft. Sie kann sowohl in Stahltanks als auch in Holzfässern stattfinden. Tatsächlich gibt es bevorzugte Hefen für die Grundweinerzeugung, die dann bei 12°C bis 25°C ca. 3 Wochen die alkoholische Gärung in Gang setzen. Im Anschluss wandeln Milchsäure-Bakterien die bissige Apfelsäure in die mildere Milchsäure um, was als malolaktische Gärung oder kurz BSA (Biologischer Säureabbau) bezeichnet wird. Nochmals wird geklärt und der trotz BSA recht saure Grundwein wartet als „Vin clair“ auf seine Vermählung mit anderen seiner Art.
Assemblage
Tradition, Erfahrung und Kreativität bestimmen diesen wichtigen prägenden Schritt des Verschneidens. Die Unverwechselbarkeit eines Champagnerhauses wird mit der Assemblage erzeugt. Jetzt kommt der Aufwand, jede einzelne Lage jedes Jahr separat zu vinifizieren, zum Tragen. Außer bei einem Jahrgangs-Champagner (Millésime), bei dem die Grundweine nur aus einem Jahr stammen dürfen, können die Erzeuger nun aus dem Vollen schöpfen, um ihren Champagner-Charakter zu formen. Aus verschiedenen Jahrgängen und von den unterschiedlichen Parzellen werden vom Blanc de Blancs bis zum Rosé Champagner nun die Geschmacks-Kreationen zusammengestellt (sogar aus bis zu 60 Grundweinen!)
Hier schließt sich nun der Kreis. Die zweite Gärung, die méthode champenoise, vollendet den Werdegang des Champagner.
Champagner ist nicht gleich Champagner
Trotz aller strengen Reglements, die es im gesamten Anbaugebiet vom Massif de Saint-Thierry bis zur Côte de Sézanne zu beachten gilt, um die Qualitätsstandards, die den Namen Champagne ausmachen, zu gewährleisten, bieten die drei Rebsorten, das Terroir mit den verschiedenen Böden von Kreide, Kalk, Ton, Lehm und Mischgestein und sowohl ozeanischem als kontinentalem Klima unterschiedliche Voraussetzungen für den Weinanbau. Individuelle und charakteristische Ausgestaltung bei der Assemblage und den Lagerzeiten der Weine in den Fässern und auf der Hefe prägen den Stil der einzelnen Häuser. Anhand der verschiedenen Vereinigungen wird schon ersichtlich, dass es einer vertrauensvollen, langjährigen Zusammenarbeit von Winzern, die sich in der Hauptsache um die Kultivierung der Reben kümmern, mit den Champagnerhäusern bedarf.
Abseits der großen namhaften Häuser produzieren auch kleinere Betriebe hervorragende Champagner. Sie bewirtschaften die Weinberge zur Erzeugung der Grundweine nach ihren Vorstellungen selbst und kreieren daraus ihren Qualitätsschaumwein. Da fließen Familientradition, Erfahrung und Persönlichkeit mit in die Produktion ein.
Champagner beflügelt
Natürlich gäbe es noch viel, viel mehr zu der Ursprungsregion des Schaumweines zu erzählen. Kaufmännisches Geschick und Unternehmergeist aus Deutschland spielte auch eine große Rolle zur weltweiten Erfolgsstory des Champagner. Aber dazu an anderer Stelle mehr. Schließlich folgt ja in Kürze auch noch ein Beitrag über Sekt!
In diesem Beitrag schließt sich mit dem persönlichen Hinweis, dass Champagner beflügelt, inspiriert und besondere Laune, Champagnerlaune eben, hervorzaubert, der Kreis zu Lilly Bollinger Eingangszitat.
Champagner passend zum Beitrag:
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