Der Schaumwein-Artist im Wandel der Zeiten
Bevor der schäumende Exportschlager aus Italiens Norden die Welt eroberte, wurde er in Italien als halbtrocken, fruchtiger Dessertwein zum Panettone oder anderen feierlichen Begebenheiten gereicht. Als Prosecco in 1970er Jahren aus Italien über die Grenze nach Bayern „schwappte“ und als Verkörperung des Dolce vita in speziellen Bars, Restaurants und bei ausgelassenen Feiern für Stimmung sorgte, startete ein Jahrzehnte anhaltender Boom für das Modegetränk.
Der blumig-fruchtig schmeckende Perl- und Schaumwein avancierte ganz im Zeitgeist der 1980er Jahre zum Szene-Getränk und verbreitete sich von München aus bis in Deutschlands Norden.
Die Folge der großen Nachfrage des sprudelnden, preisgünstigen Party-Spaßes war hierzulande eine wahre Flut von Prosecco in bunten Flaschen, gar Dosen, in den Discountern, Tankstellen und Getränkemärkten.
Prosecco: Der Verwandlungskünstler vom Traditions-, zum Massen- bis zum heutigen Qualitätsprodukt!
Bevor die vinophilen Leser unter Ihnen wohl schon denken mögen „Prosecco gehört doch gar nicht zwangsläufig zu einer Beitragsreihe über Schaumweine.“ Stimmt, Prosecco kann auch Stillwein sein. In diesem Beitrag dreht es sich allerdings hauptsächlich um die Schaumweine und nicht um die Frizzante, sprich Perlweine (Mehr über den Unterschied zwischen Schaum- und Perlweine finden Sie in Teil 1 der Reihe!) , oder Stillweine der Region. Doch über welche Region sprechen wir hier genau? Kommen wir endlich zum informativen Teil des Beitrags! ;)
Was bedeutet überhaupt Prosecco?
Eine hergeleitete Übersetzung wie „für trocken“ wäre schön naheliegend, ist aber hier nichtzutreffend. Selbst eine Verwandlung der Bedeutung des Begriffes Prosecco sorgt für Durcheinander. Aber alles schön der Reihe nach…
Woher stammt der Name für den Wein?
Die Rebsorte Prosecco
Erstmals schriftliche Erwähnung fand der Prosecco 1754 von Aureliano Acanti. Als Weinrebe aus den Hügeln von Conegliano Valdobbiadene wird er 1772 beschrieben. Somit ist Prosecco klar als Rebsorte einer Region benannt, in der seit der Antike Weinbau betrieben wird.
In dem Dorf Prosecco, einem Vorort von Triest, ca. zwei Auto-Stunden von der heutigen DOCG Conegliano Valdobbiadene entfernt, findet sich eine weitere Begriffserklärung für den begehrten Wein. An der Küste des Golfs von Triest wurde früher von der slowenisch sprechenden Bevölkerung Prosekar (Proseko) angebaut.
Wo und wie der Name der Rebsorte ursprünglich verwurzelt ist, entweder in Istrien (kroatischen Teil) oder im italienischen Venetien, ist nicht eindeutig belegt.
Aus Prosecco wird Glera
Wie die meisten Rebsorten, hat auch der Prosecco im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Namen in seinen unterschiedlichen Anbaugebieten bekommen.
Außerdem hat man verschiedene Arten des Prosecco benannt: Prosecco Tondo, Prosecco Lungo und Prosecco Nostrano. Laut heutiger Analyse handelt es sich allerdings wohl um drei eigenständige Sorten. Um die Verwirrung nun noch komplett zu machen, wurde der Name Prosecco vom Landwirtschaftsministerium Italiens per Dekret im Jahr 2009 für die Rebsorte aufgegeben.
Seit 2010 heißt die Rebsorte Glera! D. h. Prosecco Tondo heißt Glera, und Prosecco Lungo heißt Glera Lungo und Prosecco Nostrano ist zufällig identisch mit Malvasia Bianca Lunga.
Warum stiftet man solch eine Verwirrung? Wie sollen Verbraucher das verstehen?
Mit dem Kauf eines „Prosecco“ war den meisten Konsumenten wahrscheinlich nicht klar, dass es sich um eine Rebsorte handelte. Die in Großtanks vergorenen Weine wurden noch nicht einmal mehr in Italien in Flaschen abgefüllt. Das Massenprodukt Prosecco war nicht genau identifizierbar und total beliebig.
Bunte, schrille Aufmachungen waren wichtiger als eine verlässliche Qualität und Marketingstrategie. Nachdem er pur als Schickmicki-Getränk seine Karriere startete, gab es später noch die Aperol-Spritz- und Hugo-Welle, in der Prosecco Frizzante gemixt für Vergnügen sorgte. Dann ließen die Export-Umsätze nach und der Ruf war endgültig ruiniert.
Dazu passt ein Zitat aus der BZ - die Stimme Berlins vom 19.12.2007:
"Sekt sprudelt Prosecco weg und manche Sektsorten schlucken auch noch den Champagner“
Anstelle damit ungeniert weiterzuleben, erklärte die Region Conegliano Vadobbiadene, vertreten durch das „Consorzio Tutela del vino Conegliano Valdobbiadene Prosecco“ die Qualitätsoffensive - und die Umbenennung der Rebsorte ist nur der erste Teil der Wandlung.
Prosecco = Herkunft
Der „frei gewordene“ Begriff Prosecco bezeichnet seit 01. 01.2010 laut EG-Verordnung Nr. 1166/2009 ausschließlich die Herkunft. Die gesamte DOP Prosecco erstreckt sich über zwei Anbaugebiete Friaul-Julisch Venetien (Gorizia, Pordenone, Triest und Udine) und Venetien (Belluno, Padova, Treviso, Venedig und Vicenza).
Im Jahr 2009 schon wurde nach der Umbenennung der Rebsorten auch noch der DOP-Status der Region Conegliano-Valdobbiadene auf DOCG Conegliano-Valdobbiadene Prosecco angehoben.
Ebenfalls seit 2009 ist auch das Gebiet der Colli Asolani als zweites DOCG Gebiet Prosecco in der Provinz Treviso in der Region Venetien eingestuft.
Somit ist Prosecco eindeutig eine Herkunftsbezeichnung!
Ein neues Image fokussiert auf Qualität basierend auf Herkunft und Geschichte
Für die DOP und die DOCG-Bereiche sind strenge Kriterien bei der Herstellung der verschiedenen Weine aus den Regionen festgelegt. Verschiedene Weine bedeutet, dass neben Spumante und Frizzante auch Stillweine hier produziert werden. Der feine Unterschied zwischen Perlwein = Frizzante und Schaumwein = Spumante ist in Teil 1: Schaumweine erklärt.
Bereits in den 1930er Jahren werden die Grenzen des Prosecco-Produktionsgebiets festgelegt, aber die stolzen Winzer und das am 07. Juni 1962 gegründete private Consorzio di Tutela del Conegliano Valdobbiadene Prosecco Superiore DOCG verweisen auf die zeitlich davor liegenden Highlights der Wein-geschichtsträchtigen Hügel:
- eine erste Weinschule Italiens wurde in Conegliano 1876 gegründet
- 1923 folgt die Versuchsstation „Stazione Sperimentale di Viticoltura e Enologia di Conegliano”
- seit 1966 führt die erste Weinstraße Italiens, die „Strada del vino Prosecco“, durch das Anbaugebiet
- am 1. August 2009 wird Conegliano Valdobbiadene die 44. DOCG (kontrollierte und garantierte Ursprungsbezeichnung) Italiens
Und bei so viel natürlich gepflegter Historie sind die mit Rebzeilen kultivierten Hänge:
- die „Colline del Prosecco di Conegliano e Valdobbiadene“ seit 2019 UNESCO Weltkulturerbe
Tankgärverfahren
Anders als bei der traditionellen Flaschengärung, gären die Grundweine bei der Schaumweinherstellung im Tankgärverfahren in gasdichten großen Drucktanks ein zweites Mal. In diesen auch als Autoclav, Cuve-close oder Granvás bezeichneten Behältern entsteht nach der Zugabe der Fülldosage die begehrte Perlage in bis zu 200.000 Liter fassenden, temperaturkontrollierten Tanks. Mittels dieser preisgünstigeren Herstellung von Schaumweinen werden auch in Deutschland ein Großteil der Sekte produziert und eben auch Prosecco Spumante.
Méthode charmat - Metodo Italiano
Der Stolz der regionalen Produzenten und der Weinschule Conegliano geht so weit die heutige Herstellungsmethode der zweiten Gärung in Drucktanks vor Ort als Metodo Connegliano Valdobbiadene zu bezeichnen.
Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts wurde an einer Produktion von Schaumweinen in speziellen, bis zu 6 bar standhaltenden, Drucktanks geforscht. Fast zeitgleich entwickelten sowohl in Frankreich Eugène Charmat (Montpellier) als auch in Italien Federico Martinotti (Istituto Sperimentale per l’Enologia di Asti) das neue Herstellungsverfahren. Den Erfindern zu Ehren wurde das Verfahren der zweiten Gärung in großen Drucktanks nach ihnen, bzw. der Herkunft benannt:
- Méthode charmat
- Metodo martinotti
- Metodo martinotti-charmat
- Metodo italiano
Antonio Carpenè produzierte wohl als erster auf seinem Weingut Carpenè Malvolti in Conegliano mit der Metodo Martinotti Schaumweine. Die Metodo Connegliano Valdobbiadene meint eine im 20. Jahrhundert an der Scuola Enologica di Conegliano entwickelte Verbesserung der Technik des Tankgärverfahrens. Die zweite Gärung im Tank dauert mindestens 30 Tage. Nachdem sich die Hefe endgültig am Tankboden abgelagert hat, wird der Schaumwein in einen weiteren (ggf. kleineren) Autoclav umgefüllt, die restliche Hefe ausgefiltert und je nach Geschmacksrichtung die Versanddosage zugefügt, bevor der Spumante in Flaschen abgefüllt wird.
Das ist eine geschickte Überleitung zu den Qualitätsmerkmalen von Prosecco DOP, DOCG und Superiore DOCG:
Der DOP-Bereich umfasst rund 24.000 Hektar in Venetien und Friaul-Julisch-Venetien, in dem Stillweine, Frizzante und Spumante hergestellt werden.
Prosecco darf nur in seinem Herkunftsgebiet in Flaschen abgefüllt werden!
Wo die Schaumweinsorten ihren Ursprung haben:
Prosecco DOCG und Prosecco Superiore DOCG sind die anspruchsvolleren Schaumweine im Vergleich zu Prosecco DOP. Der Unterschied zwischen den beiden liegt hauptsächlich in den Anforderungen an die Herstellung und der definierten Region, in der sie produziert werden.
Zugelassene Rebsorten:
- Die Weine müssen zu 85% aus den Varietäten der Rebsorte Glera bestehen. Weiterhin werden die autochthonen Sorten Verdiso, Perera, Bianchetta kultiviert und auch die internationalen Burgunder-Rebsorten, sowie Chardonnay sind zugelassen
- Reine Handlese in allen 15 Gemeinden mit einem maximalen Ertrag von 13,5 t je Hektar
Je nach Herkunft sind die Qualitätskriterien noch strenger:
DOCG Rive
Die so gekennzeichneten Jahrgangsschaumweine, stammen von den steilsten Hängen der Gemeinden. Insgesamt kennzeichnen in Conegliano Valdobbiadene 43 DOCG Rive die Typizität ihrer Herkunft. Per Handlese dürfen in den Steilen Lagen maximal 13 t pro Hektar gelesen werden.
DOCG Cartizze
Die strengsten Vorgaben gelten in der 107 Hektar großen, vielmehr kleinen, Unterzone der DOCG Cartizze. In dem Gebiet mit den steilen Hügeln von San Pietro di Barbozza, Santo Stefano und Saccol ist der Ertrag auf 12t je Hektar limitiert. Seit 1969 gilt dieser Bereich als privilegiertes Terroir mit seinem Mikroklima und Böden.
DOCG Sui Lieviti
Sui Lieviti bedeutet auf der Hefe. Dabei entstehen die komplexen Noten in den Schaumweinen aufgrund des langen Hefelagers.
Wer hätte das gedacht?
In den letzten 20 Jahren ist viel passiert zum Thema Prosecco, einem Schaumweinprodukt, dass die Verbraucher nie genau hinterfragt haben. Prosecco scheint als Begriff an sich klar zu sein – und wer rechnet da schon mit so viel Theorie & spezifizierter Herkunft?
Mit Paris Hiltons Anpreisung von Prosecco in Dosen (Idee des Österreichers Günther Aloys) als Rich-Prosecco war Anfang der 2000er Jahre eine neue Zeit angebrochen. Das hatte so gar nichts mehr mit dem traditionellen Feiertagsgetränk zum weihnachtlichen Panettone zu tun.
Um in dem artistischen Bild der Überschrift zu bleiben, bezeichne ich diese Transformation vom Massen- zum Qualitätsprodukt als akrobatischen Akt. Anhand des Etiketts, der Flasche und des Verschlusses können Sie Rückschlüsse auf die wahre Herkunft des Prosecco ziehen. Ich wünsche viel Spaß bei der Neuentdeckung des fein-fruchtigen, blumigen Schaumweines aus dem italienischen Norden.
Die passenden Tropfen zum Bericht:
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