Selbsterklärend an diesem wichtigen, oft unscheinbaren Begriff auf dem Flaschenetikett ist nur, dass etwas in der Flasche gärt. Um mehr darüber zu erfahren, was es damit auf sich hat, dass ein trockener Qualitätswein mit geschützter Ursprungsbezeichnung eine zweite Gärung in einer Flasche vollzieht, sind Sie hier genau richtig.



Bild mit 4 Schaumwein Arten

Aber die wichtigste Verbraucher-Frage: Warum könnte Wissen über diese Form der Weinbereitung für Sie interessant sein und welche Weine werden so hergestellt?

Die Antwort: Schaumweine!

Für alle, die Winzersekt, Crémant, Cava und Champagner mögen oder gar lieben, hebt sich in diesem Beitrag der nebulöse Schleier über das Genussgeheimnis, so wie die feinen Perlen im Glas animierend und leicht tänzelnd aufsteigen.

Hinter den Begriffen Traditionelle Flaschengärung, Klassische Flaschengärung oder Méthode champenoise verbirgt sich das hier beschriebene Verfahren zur Schaumweinherstellung. Nur in der Champagne allerdings darf es mit dem Begriff Méthode champenoise bezeichnet werden. In anderen Weinanbaugebieten wird nach der gleichen Methode die Flaschengärung entweder traditionell oder klassisch angewandt.

Aus Qualitätswein wird Qualitätsschaumwein

An dieser Stelle ist wichtig darauf hinzuweisen, dass es sich um besonderen Qualitätswein handelt! Grundweine, die sich zum Versekten eignen, sind deutlich anders als „normale“ Stillweine. Schon die Arbeit im Weinberg unterscheidet sich stark, da die Zielsetzung wie die Trauben reifen sollen und Zucker ausbilden anders ist. Die Grundweine werden natürlich aus hochwertigen, von Hand gelesenen gesunden Trauben gekeltert. Dabei sollten sie keinen zu hohen Alkoholgehalt (ca. 9-10 % vol. Alk.) ausbilden und trocken sein. Sie schmecken meistens richtiggehend sauer mit wenig Fruchtaromatik.

Zahl 1 Warum gärt ein fertiger Wein ein zweites Mal?

Die Antwort lautet: Damit sich im Wein Kohlendioxid bildet, das auch als Kohlensäure bezeichnet den Wein zum Moussieren bringt.

Zur Veranschaulichung eine sehr stark vereinfachte „Formel“ der alkoholischen Gärung:

Grafik über Wein Gärung Grafik über Wein Gärung

Da in den trockenen Grundweinen natürlich keine ausreichende Menge Zucker für eine zweite Gärung mehr vorhanden ist, wird dem in Flaschen umgefüllten Wein eine Zucker-Wein-Mischung + Hefe oder Traubenmost + Hefe (Tirage) zugefügt. Anschließend wird die Flasche mit einem Kronkorken verschlossen. Um diese sogenannte Fülldosage gut mit dem Wein zu vermengen, wird das Ganze maschinell oder manuell gut durchgeschüttelt.

Die zweite Gärung dauert zwischen 10 Tagen und 3 Monaten. In der Zeit erhöht sich der Alkoholgehalt um ca. 1,2 Volumenprozent und je 4g zugefügtem Zucker entsteht je 1 Bar Überdruck. Das Glas der Flaschen und die Kronkorken sind dazu ausgelegt, bis zu 6 bar (=24g Zucker : ) Überdruck standzuhalten! Qualitätsschaumweine, die mittels klassischer Flaschengärung hergestellt werden, müssen mindestens 9,5% vol. Alkohol und 3,5 bar Druck vorweisen.



Zahl 2 Warum wird der Wein dafür extra aus einem Tank oder Fass in Flaschen umgefüllt?

Die Antwort lautet: Die Auswirkungen des Hefelagers in der Flasche auf Perlage und Geschmack sind in den „kleinen“ Flaschengebinden größer als in großen Tanks. Hinzu kommt, dass es zum Beispiel in der Champagne verpflichtend ist, den Schaumwein auch in der Flasche zu verkaufen, in der er die zweite Gärung durchlaufen hat.


Was passiert in der Zeit des Hefelagers?

Die vorgeschriebene Reifezeit „sur lie“, auf der Hefe, variiert je nach Art und Herkunft des Schaumweines von 9 Monaten bis zu mehreren Jahren. In der Zeit nach der Gärung hat die Hefe tatsächlich weitreichenden Einfluss auf die Struktur und den Geschmack des Schaumweines. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass die Zeit sur lie (übersetzt auf dem Geläger oder Hefesatzlagerung) neben der Beschaffenheit des Grundweines, den ausschlaggebenden Unterschied in der Schaumwein Qualität macht. Durch die Autolyse, d. h. die teilweise Auflösung der Hefezellen im Wein, wird der Schaumwein weicher, cremiger, die Perlage bindet sich feiner und stabiler ein und das Aroma wird komplexer, auch hefiger und bekommt die oftmals beschriebenen Töne von frischer Brioche.


Wie kommen die Hefereste aus der Flasche, während die Kohlensäure in der Flasche bleibt?

Das ist ein spannendes, druckvolles Prozedere, das Dégorgement!

Beispiel einer Rüttelplatte zum Lagern von Flaschengärungs-Weinen

Während der Zeit des Hefelagers löst sich die Hefe nicht ganz auf. Es bleibt noch ein guter Teil abgestorbener Hefezellen übrig, die sich am Boden oder entlang der Flascheninnenwand ablagern. Diesen Bodensatz gilt es nun in den Flaschenhals zu befördern. Klassischerweise steckt man die Flaschen in Schräglage mit dem Verschluss nach unten zeigend in ein Rüttelpult. Dort werden sie regelmäßig etwas gedreht und die Neigung in den Pulten wird zunehmend steiler, bis sich der gesamte Hefesatz am Kronkorken gesammelt hat. Heutzutage wird die zeitaufwendige Handarbeit z. B. von quadratischen, computergesteuerten „Metallkäfigen“, den Gyropalettes, übernommen.

Wenn die Zeit reif ist und der Hefesatz am „Ausgang“ parat liegt, werden die Flaschen kopfüber in einen Behälter mit eisiger Salzlösung getaucht. Der Hefepfropf gefriert und schießt nach dem Öffnen der Flasche durch den Kohlensäuredruck heraus. Auch etwas wertvoller Schaumwein bleibt dabei auf der Strecke. Dieser Verlust wird durch die Versanddosage wieder ausgeglichen.

Da nicht alle Schaumweine Jahrgangsschaumweine sind und dadurch eine Altersangabe auf der Flasche aufweisen, vermerken manche Hersteller als Altersangabe auf dem (Rück-)Etikett wann der Schaumwein degorgiert wurde.


Von „brut nature“ bis „doux“ - die Versanddosage bestimmt den Süßegrad

Während der Gärung und der langen Verweildauer in der Flasche hat die Hefe allen Zucker umgewandelt, um Alkohol und die gewünschten feinen Kohlesäurebläschen zu produzieren. Das bedeutet der degorgierte Schaumwein ist „knochentrocken“. Mittels der Versanddosage, einem Wein-Zuckergemisch, lässt sich nun, falls gewünscht, Süße zufügen. Das bedeutet, ob und womit die beim Dégorgement verlorene Flüssigkeit aus der Flasche aufgefüllt wird, entscheidet über die Bezeichnung auf dem Etikett. Je nach Herkunft wird in verschiedenen Sprachen auf den unterschiedlichen Zuckergehalt aufmerksam gemacht, z. B. „brut nature“, „extra dry“, „seco“ oder „mild“.

Weitere Informationen zur Dosage sowie eine Tabelle mit Informationen bezüglich der EU-weiten Einteilung gibt es an dieser Stelle.


Der richtige Verschluss und Schluss

Sekt Korken

Nachdem die Flasche die gewünschte Füllmenge und Geschmacksrichtung bekommen hat, gilt es das unter Druck stehende Produkt adäquat zu verschließen. Ein zylindrischer, langer Korken mit einem Durchmesser von 30,5 mm wird mit viel Druck etwas mehr als die Hälfte (Länge 48mm) in den Flaschenhals auf 19 mm Durchmesser gepresst, so dass der gesamte Korken der Form eines Pilzes ähnelt.

Der so stark zusammengepresste Korkenfuß sorgt für die größte mögliche Dichtigkeit. Damit er in der Position im Flaschenhals verbleibt, bekommt er obenauf eine vom Produzenten häufig sehr individuell gestaltete flache Metallkapsel (Capsule, Plaque), die zusammen mit einem Drahtgeflecht (Agraffe) den Korken am Flaschenhals sichert.

Dann kommt um alles noch eine mehr oder weniger farbenfrohe Folienkapsel aus Metallfolie, die laut EU-Recht und Gerichtsbeschluss im Juli 2021 vom Verwaltungsgericht Trier für den Verkauf von Sektflaschen relevant ist. Die einheitliche Aufmachung diene dem fairen Wettbewerb, ebenso der Sicherheit des Verbrauchers und gehe auf eine über 100 Jahre alte Tradition zurück. Aus Umweltschutzgründen keine Folienkapsel zu verwenden, überzeugte nicht, da es auch umweltfreundliche, recyclebare Folien gebe.

Gar keine so einfache Sache, der richtige Verschluss einer Schaumweinflasche.



Zum Schluss gilt es noch die letzte Frage zu beantworten.

Zahl 3 Was hat das Ganze mit Tradition zu tun?

Als traditionell wird laut Wikipedia „etwas bezeichnet, das auf einer älteren Geschichte aufbaut, das jedoch nicht unverändert weiterhin gültig ist“. Die Geschichte dieser per Zufall „erfundenen“ Herstellung von Schaumwein geht zurück bis ins Jahr 1661, als Marquis de Saint-Evremond sich Weißweine aus der Champagne ins Exil nach England schicken ließ. Während des Transports setzte bei entsprechend warmen Temperaturen häufig eine zweite Gärung in den Fässern ein und aus den Fässern sprudelte der Wein im englischen Hafen in die zur Abfüllung vorbereiteten Flaschen - sehr zur Freude und Genuss der adeligen Kreise!

Karte mit Reise aus der Champagne nach London Karte mit Reise aus der Champagne nach London

Bis zu den heutigen Herstellungsverfahren haben viele schlaue Köpfe Wissen und Experimentierfreudigkeit eingebracht, damit wir heute so eine Bandbreite ungefährlicher Schaumweinprodukte in höchstem Qualitätsniveau weltweit genießen können. (Zu den „schlauen Köpfen“ zählen Benediktinermönch Dom Pierre Pérignon, Chemiker Jean-Antoine Claude Chaptal, Apotheker Jean-Baptiste Francois und Kellermeister Anton Müller)


Die Jahrhunderte währende Geschichte der traditionellen Flaschengärung auf diese kurze Anekdote reduziert - ist an dieser Stelle einfach endlich Schluss und Zeit für Genuss!



Anke Kürschner

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Die anderen Teilen der Schaumwein-Blogreihe finden Sie hier:

Verlinkung zu Blogbeitrag Teil 1: Schaumwein allgemein Verlinkung zu Blogbeitrag Teil 2: die traditionelle Flaschengärung Verlinkung zu Blogbeitrag Teil 3: Chapeaux Champagne Verlinkung zu Blogbeitrag Teil 4: Sekt, ist doch klar Verlinkung zu Blogbeitrag Teil 5: Crémant ist Crémant Verlinkung zu Blogbeitrag Teil 6: Prosecco - Der Schaumwein-Artist Verlinkung zu Blogbeitrag Teil 7: Cava - Spaniens schäumendes Temperament